So., 11.07.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Senegal: Erste Corona-Impfstoff-Fabrik in Afrika
"Solange nicht die ganze Welt geimpft ist, kann sich niemand sicher fühlen", betonte Senegals Präsident Macky Sall zuletzt erneut die Dringlichkeit von Impfungen für Afrika. Das renommierte Institut Pasteur (IPD) in Dakar spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen das Virus auf dem afrikanischen Kontinent. Wenn alles nach Plan läuft, wird hier ab Mitte 2022 Corona-Impfstoff im industriellen Stil produziert.
Endlich ein Lichtblick. Denn nur wenn auch in Afrika die Menschen geimpft sind, nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass sich weitere gefährliche Varianten des Virus bilden und die Pandemie immer wieder anfachen. Ein ehrgeiziges Projekt, das Deutschland mit 20 Millionen Euro unterstützt.
Das Ziel: bis 2022 einen Corona-Impfstoff für Afrika herstellen
Auf ihm ruhen große Hoffnungen, Amadou Alpha Sall. 52 Jahre, Direktor des Institut Pasteur in Dakar im Senegal. Hoffnungen der afrikanischen und Hoffnungen der westlichen Welt. Es geht um viel – einen Corona-Impfstoff, hergestellt hier am Institut. "Dass wir in Afrika für Afrika produzieren können, wäre eigentlich ein Schlüsselfaktor, um diese Epidemie zu beenden. Dieses Wissen kann dann auch genutzt werden, um uns auf andere Pandemien vorzubereiten. Um nicht nur über Covid zu sprechen oder über Seuchenkontrolle für künftige Pandemien. Ein solches Projekt ist absolut strategisch entscheidend." Mit Innovationen kennen sie sich hier aus: Rund 300 Mitarbeiter sind am Institut, die meisten von ihnen einheimische Wissenschaftler und Virologen. Ganz früh schon haben sie einen Corona-Schnelltest entwickelt, quasi direkt nach Ausbruch der Pandemie. Exportieren mittlerweile in zahlreiche afrikanische Länder. "Unsere Strategie besteht darin, bis 2022 über das Personal, Einrichtungen, Fachkenntnisse und Vorschriften zu verfügen, die es braucht. Also nicht nur den Impfstoff herzustellen, sondern das richtige Umfeld zu haben, um die Versorgung zu gewährleisten."
Über Afrika rollt derzeit die dritte Corona-Welle. Geimpft ist so gut wie niemand. Beim Impfstoff hatten sich die Industrieländer das meiste gesichert. Aber es fehlt auch am Nötigsten: Masken, Desinfektionsmittel gibt es an manchen Orten im Senegal viel zu wenig. Wir verlassen das Stadt-Zentrum von Dakar und sind auf dem Weg in die ärmeren Vororte. Von 1,3 Milliarden Menschen in ganz Afrika leben viele unterhalb der Armutsgrenze. Ihre Lage hat sich durch Covid noch verschärft. Und so treffen wir das Team um Amath Sarr von ABC, einer Hilfsinitiative Dabei haben sie Masken und Desinfektionsmittel. Vor allem aber wollen sie die Kinder und die Bewohner des Viertels aufklären – und über Covid informieren. "Für mich sind die Kinder der Schlüssel, um auch die Aufmerksamkeit der Erwachsenen zu bekommen. Die meisten Eltern haben keine Ausbildung. Die Kinder bringen, das was sie lernen nach Hause, so hören es auch ihre Eltern."
Der nächsten Welle durch Impfen begegnen
Hier im Senegal sind sie bisher vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen. Das motiviert auch Amath Sarr.Doch niemand kann heute sagen, wie sich die Corona-Infektionszahlen in den nächsten Wochen in dem westafrikanischen Land entwickeln werden. "Was ihr hier macht, ist echt eine gute Sache. Das Bewusstsein schärfen, dass das Virus immer noch da ist", sagt ein Mann. Amath Sarr kennt die Sprache des Viertels. Er weiß, dass er sich Verbündete im Kampf gegen das Virus schaffen muss, damit seine Arbeit Erfolg hat. "Hör zu", sagt er zu einem Mädchen. "Du bist hier verantwortlich, Du musst genau aufpassen, dass sie sich schützen." Masken können helfen, besser allerdings wäre endlich ausreichend Impfstoff für Afrika. Für die eigene Bevölkerung, aber auch für die ganze Welt.
Denn neue Virus-Varianten können entstehen, das weiß man am Pasteur-Institut natürlich ganz genau, wenn die Pandemie nicht gestoppt wird. Nur knapp drei Prozent der Afrikaner sind geimpft. Deshalb wollen sie so bald wie möglich hier Impfstoff produzieren. "Ganz offensichtlich haben wir keinen Zugang für genügend Covid-Impfstoffe für Afrika", sagt Amadou Alpha Sall. "Wenn wir den also hier herstellen, wäre der für Afrika dann auch verfügbar. Außerdem haben wir seit 80 Jahren Erfahrung mit der Herstellung von Impfstoffen. Wir können Impfstoffe vom Rohstoff bis zur Auslieferung produzieren. Der Senegal ist das einzige afrikanische Land, dass eine entsprechende WHO-Zertifizierung hat. Das ist der höchstmögliche Standard, um ein Vakzin herstellen zu dürfen."
Für die gefährliche Delta-Variante sind sie zu spät dran. Sie trifft auf eine quasi ungeimpfte Bevölkerung in Afrika und verbreitet sich so rasant. Laut WHO verzeichnen inzwischen 16 afrikanische Staaten einen massiven Neuanstieg der Infektionen. Das Team um Amath Sarr hat schon geraumer Zeit ein Info-Video kreiert. Abstandhalten, Mundschutz tragen. Nur so können sie im Senegal diese Pandemie-Welle bekämpfen. Und – der nächsten, der wollen sie sich am Institut Pasteur anders entgegenstellen: Heißt, bald Impfstoff abfüllen und 2022 dann in Lizenz produzieren. Deutschland hat dafür eine Anschubfinanzierung von 20 Millionen Euro gegeben, die EU will eine Milliarde Euro für mehrere afrikanische Impfproduktionsstandorte bereitstellen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde gerade getroffen: eine komplett neue Fabrik soll am Stadtrand von Dakar entstehen, auf höchstem technischem Niveau. "Der Faktor Zeit ist entscheidend für dieses Projekt", erklärt Amadou Alpha Sall. "Wir müssen jetzt schnell liefern. Deshalb arbeiten wir als Partner mit verschiedenen Unterstützern, darunter auch Deutschland, an einem sehr ambitionierten Programm, um sicherzustellen, dass wir 2022 einen Impfstoff für Afrika liefern können." Und muss, meint Amadou Sall, denn die Pandemie kann nur gebrochen werden, wenn alle in der Welt geimpft sind. Sonst wird sie immer wieder ausbrechen – mit immer neuen Varianten.
Autorin: Sabine Krebs, ARD-Studio Nairobi
Stand: 12.07.2021 09:35 Uhr
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