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Thailand: Corona-Folgen an den Stränden und in den Slums

Thailand: Corona-Folgen an den Stränden und in den Slums  | Bild: NDR

Wenn man den offiziellen Zahlen glaubt, haben sich verhältnismäßig wenig Menschen in Thailand mit dem Coronavirus infiziert. Dennoch wurde im asiatischen Urlauber-Paradies ein wochenlanger Lockdown verhängt. Für die Tourismusindustrie sind die Folgen gravierend: Mehr als 40 Millionen Urlauber reisen pro Jahr nach Thailand, in den vergangenen Monaten konnte niemand mehr einreisen. Die kleinen Straßenhändler haben ihr Einkommen genauso verloren wie die Chauffeure der Lasten-Räder, der Tuk-Tuks. Experten gehen davon aus, dass sechs Millionen Jobs gefährdet sind. Bis mindestens Ende Juni sollen die Reisebeschränkungen bestehen bleiben. In den Armenvierteln wird die Situation unterdessen immer dramatischer. Viele leben von Gelegenheitsjobs, die gibt es aber derzeit nicht.

Auf den ersten Blick gleicht Thailand derzeit einem Paradies: Die sonst so scheuen Dugongs, Gabelschwanzseekühe plantschen ungestört im Wasser und die Traumstrände sind so unberührt und sauber wie seit Jahren nicht mehr – zum Beispiel in Ao Nang. Doch genießen können das nur die wenigsten. Im Phunaka Elephant Camp waren im März die letzten Touristen. Dann verhängte die Regierung wegen Corona einen Einreisestopp für Ausländer. Von einem Tag auf den anderen hat Suchat Misi, Elefantenführer im Phunaka Elephant Camp, damit sein Geschäft verloren, muss nun sehen, wie er für das Futter aufkommt. Bis zu 200 Kilo frisst ein Elefant am Tag. Vom Staat gab es einen Einmal-Betrag als Nothilfe, zu wenig um Thailands-XXL-Nationaltiere durchzufüttern. "Seit Corona kommen überhaupt keine Touristen mehr. Seit mehr als zwei Monaten habe ich kein Geld mehr für die Angestellten. Ich muss jetzt hier alles aus Rücklagen bezahlen. Keine Ahnung, wie lange das noch durchzuhalten ist", sagt Suchat Misi.

Tourismusbranche: Sechs Millionen Jobs in Gefahr

Tänzerinnen mit Plastikvisier vor dem Gesicht
Noch gilt in Thailand ein Einreiseverbot. | Bild: NDR

4.000 Elefanten leben in Thailand in solchen Camps – im Dschungel könnten viele nicht mehr überleben. Dass Suchats Tiere nicht hungern, haben sie auch Alyssa und Charlotte zu verdanken. Die beiden Engländerinnen haben die Online-Initiative "Ao Nang Elephant Fund" gegründet und versorgen so seit Wochen 27 Elefanten in der Gegend mit Ananasblättern. Doch jetzt kommen sie an ihre Grenzen: "Am Anfang hatten wir viele Spenden, vor allem von unseren Familien und Freunden, aber langsam wissen wir nicht mehr, wen wir noch fragen können. Die Spenden werden weniger, aber die Elefanten brauchen doch trotzdem weiter Futter.
An der Strandpromenade von Ao Nang herrscht Trostlosigkeit. Vergangenes Jahr haben manche noch über zu viele Touristen geklagt. Jetzt könnten bis zu sechs Millionen Menschen in der Tourismusbranche ihre Jobs verlieren, so die Befürchtungen.

Manche Familie haben schon jetzt zu wenig zum Überleben, wie im Dorf. "Gaii" Inthira Koontaweesap kommt vorbei und verteilt Reis, Eier und Fischkonserven. Die Bankerin sammelt dafür seit April Spenden ein. Bis zu 50 Familien versorgt sie hier. Fischer, die nun keine Abnehmer mehr haben, weil Restaurants zu sind, Hotelangestellte, die keine Kissen mehr aufschütteln und Souvenirverkäufer, deren Läden geschlossen sind. Der Staat kann nicht allen helfen, sagt "Inthira Koontaweesap": "Ich habe einfach gedacht, ich kann die Leute nicht einfach sich selbst überlassen. Als ich mitbekam, dass sie hungern müssen, habe ich eine Gruppe gegründet und meine Freunde um Unterstützung gebeten."

Hoffen auf internationale Gäste ab Herbst

Ein Frau misst bei einem Mann Fieber an der Stirn
Die Hotels bereiten sich auf die Gäste vor. | Bild: NDR

Mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hängt am Tourismus. Aber wieviele Touristenboote werden wohl künftig noch gebraucht? Die Vorhersage für 2020 ist für viele Thais beängstigend: 70 Prozent weniger Urlauber als im vergangenen Jahr.

Die Aussicht ist traumhaft, doch auch das Hotel Avani mit 178 Zimmern musste wie alle anderen schließen bis mindestens Juli. Das Maßband ist ständiger Begleiter von Manager Farah Jaber. Der Libanese bereitet mit ein paar Mitarbeitern das Hygienekonzept für den Neustart vor. Es gilt, Vertrauen aufzubauen: "Leute, Ihr müsst bitte die Gäste auf das digitale Menu hinweisen, wir wollen doch nicht mehr, dass Karten hier von Hand zu Hand wandern", sagt er zu seinen Mitarbeitern.

Noch gilt ein Einreiseverbot. Thailands Hotelindustrie setzt nun erst mal auf einheimische Touristen. Aber im Oktober oder November, rechtzeitig zum europäischen Schmuddelwetter, sollen unbedingt wieder internationale Gäste kommen: "Mit all den Maßnahmen, die die Hoteliers, Geschäfte und die Regierung umgesetzt hat, kann man sich als Gast in diesem Land sicher fühlen. Das Land hat die Pandemie in vieler Hinsicht besser in den Griff bekommen als viele andere. Es ist sicher", sagt Farah Jaber.
Das Land des Lächelns hat sich Schutzmasken aufgesetzt. Und aus dem Tourismus-Werbeslogan "Amazing Thailand" soll nun "Amazing Trusted Thailand" werden – wunderbares, vertrauenswürdiges Thailand.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur

Stand: 07.06.2020 20:30 Uhr

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