Mo., 12.02.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Großbritannien: Kampf gegen Plastik-Müll
Verträumt, pittoresk, wahnsinnig romantisch: Die Steilküsten von Cornwall sind atemberaubend. Die exponierte, geographische Lage ganz am westlichen Zipfel Großbritanniens ist Cornwalls Reiz und Achillesverse zugleich. Strömung und Winde schwemmen hier so viel Müll an wie nirgends sonst auf der Insel. An den Strand von Penzance geht Rachel Yales nur noch mit ihrem Mülleimer. Schon als Kind hat sie hier gespielt. Die 43-Jährige hat zugesehen, wie der Abfall im Sand über die Jahre immer mehr wurde: "Es macht mich wütend, weil es auch ein Symptom dafür ist, wie unsere Gesellschaft in den letzten Jahren aus dem Ruder gelaufen ist. In der Art, wie achtlos wir miteinander umgehen, wie wir konsumieren, wie wir unser Leben führen."
Plastikfrei — eine ganze Stadt macht mit
Rachel ist in den Kampf gezogen: alleine gegen den Plastik-Müll, alleine gegen die Egal-Haltung. Sie hat ihre verträumte Heimatstadt Penzance wachgerüttelt, Shops aufgefordert Einwegplastik zu entfernen. Und das Erstaunliche: Die Läden machen mit – jeder auf seine Weise. Plastik-Strohhalme werden durch Papierhalme ersetzt, Plastikbesteck durch Holz. Statt Plastik gibt es jetzt kompostierbare Becher. Es ist eine wahre Bewegung entstanden – ein Widerstand wie sie hier selbst sagen. 30 Shops sind bislang dabei. Stolz zieren sie ihre Läden mit Plastikfrei-Zertifikaten. Rachel inspiziert dafür ein Geschäft nach dem anderen. "Es bedeutet nicht, dass der Laden komplett plastikfrei sein muss. Es geht darum, dass die Shops keinen Einweg-Plastik mehr benutzen. Zur Wahrheit gehört doch, dass man manches Plastik nicht einfach aus unserem Alltag entfernen kann", erklärt Rachel Yates.
Es ist ein Ansporn umzudenken. Augenscheinlich fällt das manch anderem auf der Haupteinkaufstraße noch eher schwer. Vor allem die großen Ketten, die sich bislang nie wirklich um Umweltschutz geschert haben, verteilen fröhlich weiter ihre Plastiktüten. Das ist ein Dorn im Auge des Stadtrats. Er kämpft jetzt auch an vorderster Front. Seine Kleinstadt gegen den Müll der Briten. Das bringt positive Schlagzeilen und die sind gut für den Tourismus: "Wenn die Touristen am Strand langlaufen, sehen sie wahnsinnig viel Plastik, gerade jetzt in den Zeiten der Winterstürme. Aber die vielen Touristen aus Deutschland und Holland kommen hierher und erwarten, dass unsere Küsten sauber sind", sagt Stadtrat Simon Reed.
Gemeinsam mit Rachel Yates plant er die nächsten Schritte. Auch das lokale Krankenhaus will jetzt mitmachen. Dank der Unterstützung des Stadtrats trägt Penzance jetzt den Titel "erste offizielle plastikfreie Stadt Großbritanniens". Ein Verein, der einst von Surfern gegründet wurde, hatte die Auszeichnung ins Leben gerufen.
Cornwalls Surfer vergeben begehrtes Plastikfrei-Zertifikat
Seit jeher machen sich Cornwalls Surfer für den Umweltschutz stark. Lange Zeit stießen sie mit ihren Sorgen auf taube Ohren. Doch es dreht sich was. Die Surfer haben keine Zeit mehr zum Surfern: David Smith und seine Kollegen haben mit ihre Aktion eine Welle losgetreten. 150 Kommunen, vor allem an der Küste, bemühen sich ebenfalls ein Plastikfrei-Zertifikat vom Verein zu erhalten. "Ich glaube, wir sind jetzt endlich an dem Punkt angelangt, an dem wir verstanden haben, dass wir definitiv aufholen müssen. Jetzt müssen wir auch die Regierung davon überzeugen, dass sie eine härtere Gesetzgebung macht, etwa, dass jetzt endlich das Plastikflaschenpfandgesetz kommt, was doch alle wollen", sagt Smith.
Bislang waren hauptsächlich EU- Richtlinien dafür verantwortlich, dass auf der Insel zumindest ein Mindeststandard an Umweltschutz herrschte. Jetzt aber will auch die britische Regierung auf den grünen Trend aufspringen und verspricht bessere Umweltstandards – nach dem Brexit. Man höre und staune. Rachel Yales setzt weniger auf Politiker als auf die nächste Generation. Ihr nächster Termin führt an eine Schule: "Ihr Könnt Euch dafür einsetzen, dass eure Kantine kein Einwegplastik mehr benutzt." Acht Umweltbotschafterinnen hat die Schule ausgesucht. Und die sind auf Zack: "Wir werden den anderen einfach klarmachen, wie sorglos sie sind und sie die Welt damit töten", sagt Schülerin Grace Brown. Mitschülerin Ida Middlemiss-Frost ergänzt: "Mein Problem sind vor allem meine Eltern. Ich sage ihn immer wieder, dass sie keine Plastikfaschen kaufen sollen. Wir müssen das Gewissen der Leute ändern."
Und so wird auch die erste plastikfreie Schule Großbritanniens – dank ihrer engagierten Bürger – am westlichen Zipfel der Insel stehen. In Cornwalls Kleinstadt Penzance.
Autorin: Julie Kurz, ARD-Studio London
Stand: 01.08.2019 03:48 Uhr
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