So., 16.08.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Zypern: Öl verbindet, Gas spaltet
Hasan Siber und Cemre Berk sind relativ neu im Olivengeschäft. Umso aufmerksamer widmen sich die beiden ihren Ölbäumen. In zwei Monaten soll die Ernte beginnen. Sie kontrollieren, ob mit den Oliven alles okay ist. "Was ich mache, um die Qualität zu checken? Ich schäle sie, das geht noch ziemlich schwer, und dann sieht man den Kern. Das ist genau das, was wir wollen."
Hasan und Cemre sind türkische Zyprer. Sie haben in London studiert. Dort lernten sie einen Zyprer aus dem griechischen Teil ihrer Insel kennen, wurden Freunde und fassten einen Plan: ein gemeinsames Geschäft über die Grenze hinweg, die ihre Heimat teilt. Sie entschieden sich für Olivenöl. "Jedes Haus auf Zypern hat wahrscheinlich einen Olivenbaum im Garten. Sogar in der Flagge der Republik Zypern sind zwei Olivenzweige abgebildet, sie sind überall auf der Welt ein Zeichen für Frieden", sagt Cemre und Hasan ergänzt: "Unser Projekt stellte den Status Quo der Insel auf die Probe. Während der ersten acht Monate waren wir nur mit bürokratischen Hürden beschäftigt.
Kaum wirtschaftliche Zusammenrbeit zwischen Nord- und Süd-Zypern
Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Norden und dem Süden gibt es seit der Teilung so gut wie gar nicht. Das müsse man ändern, findet Hasan, ihre Oliven stammen von Bauern beider Seiten. "Viele Menschen auf der anderen Seite kennen mittlerweile unsere Gesichter. Oh, da gibt es diese beiden türkischen Zyprer, die auch bei uns im Süden Oliven anbauen. Wir wollen damit zur Normalisierung beitragen und dafür sorgen, dass unsere Leben miteinander in Berührung kommen", so Hasan.
Seit fast 20 Jahren gibt es Übergänge von der einen auf die andere Seite. Doch nicht viele nutzen sie für Begegnungen oder gar Geschäfte. Der Norden ist zudem fast komplett von der Türkei abhängig: Banken, Wasser, Textilketten, das Telefonnetz – fast alles kommt aus dem sogenannten Mutterland. So abhängig sind sie im Süden von Griechenland nicht. Dennoch ist der Einfluss aus Athen überall sichtbar. Dazwischen ist die UN: Sie kontrolliert die sogenannte Pufferzone, die die gesamte Insel teilt.
Genau hier sind wir mit Hasan verabredet. Um in die UN-Zone zu gelangen, muss er am türkisch-zyprischen Checkpoint vorbei. Hasan hat sein Büro mitten in der Pufferzone. Eine symbolische Entscheidung, auf neutralem Boden sozusagen. Momentan kommt er hier allerdings nur mit einer Sondergenehmigung rein, denn seit Corona sind die Übergänge fast komplett dicht. "Wir mussten unser Geschäft erst einmal komplett auf Halt setzen. Für Leute, die keine Verbindung auf die andere Seite suchen, macht das keinen Unterschied. Für all diejenigen, die grenzübergreifende Beziehungen pflegen, schon. Die trifft auch jeder Streit zwischen der Türkei und Griechenland – oder im Mittelmeer", sagt Hasan.
Streit um Erdgas vor Zyperns Küste
Das zeigt sich auch – wieder einmal – im aktuellen Streit um das Erdgas. Dieser entflammt immer wieder direkt vor Zyperns Küste, derzeit zwischen Griechenland und der Türkei. Sogar eine militärische Konfrontation ist nicht ausgeschlossen, da beide Länder Kriegsschiffe in die Region entsandt haben. Der Erdgasstreit sorge dafür, dass die Insel weiter gespalten werde, erzählt uns Andromachi Sophocleous. Die griechische Zyprerin vom Verein Verein "Unite Cyprus Now!" kämpft seit Jahren für eine Wiedervereinigung: "Immer dann, wenn zwischen diesen beiden ausländischen Mächten Spannungen herrschen, dann wird hier auf der Insel eine nationalistische Rhetorik laut. Im Fernsehen laufen derzeit Diskussionen darüber, ob es zu einem Krieg zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei kommt. Und das wird auf schockierende Weise ausgeschlachtet."
Kooperationen wie die von Hasan bräuchte es viel mehr, sagt Andromachi. Denn durch Zusammenarbeit würden Vorurteile abgebaut: "Wir leben de facto seit 57 Jahren getrennt. Wie kann da eine gemeinsame zyprische Identität entstehen. Erst wenn es eine Lösung für das Zypern-Problem gibt, kann das funktionieren – dann können wir auch endlich unabhängig und frei agieren.
Cemre und Hasan wollen dazu beitragen. Olivenöl für den Frieden haben sie ihr Öl genannt. Sobald die Übergänge wieder auf sind, wollen sie weiter daran arbeiten, dass ihre Insel zusammen kommt: "Wir hoffen, dass die Menschen sich darauf konzentrieren, was wir zusammen erreichen können, anstatt daran zu denken, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir wollen ein richtiges Netzwerk schaffen: Bauern die zusammen arbeiten und auch bei der Bildung wollen wir uns engagieren – wir wollen insgesamt einfach noch viel mehr Leute erreichen."
Altes Denken aufbrechen, sagen sie. Ihre Generation sei die erste, die Veränderung schaffen kann - und sei es mit Hilfe von Olivenöl.
Autorin: Katharina Willinger, ARD-Studio Istanbul
Stand: 24.09.2020 21:06 Uhr
Kommentare