Das Ergebnis der ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse
Checkt unsere Bäche! Mit diesem Aufruf von Tagesthemen-Moderatorin Jessy Wellmer startete die ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse. Tausende Fotos und Beobachtungen zeigen jetzt: Deutschlands Bächen geht es schlecht.
3 von 4 untersuchten Bächen geht es schlecht
Gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) haben wir eine Checkliste entwickelt, die man ohne Expertenwissen ausfüllen kann: Ist das Wasser klar und wie riecht es? Ist der Bach begradigt, wachsen am Ufer Pflanzen? Anhand der Fotos und Beschreibungen stufte die Wissenschaftlerin Prof. Aletta Bonn und ihr Team die Bäche auf einer Skala von 1 bis 5 ein.
An den Ufern fehlen Sträucher, Büsche und Bäume
Und so sieht das Ergebnis im Einzelnen aus: Die ersten 2.700 Bäche haben die Wissenschaftler unter die Lupe genommen. 76 Prozent umfassen die Kategorien “mäßig” (18 Prozent), “unbefriedigend” (28 Prozent) oder “schlecht” (30 Prozent). Nur 20 Prozent erreichten eine gute Lebensraumqualität und 5 Prozent die Bewertung “sehr gut”. Aletta Bonn nennt drei Kriterien, warum es dem Bach nicht gut geht: Begradigung, nicht vorhandener Uferbewuchs oder/und fehlender Gewässerrandstreifen.
Einige Bachabschnitte sind betoniert und verbaut
Ein Bach sei immer eingebettet in die Landschaft, erklärt Prof. Aletta Bonn. Deswegen schauen sich die Forscherinnen und Forscher das Ufer genau an. Es ist wichtig, dass am Ufer Bäume und Büsche stehen, die dem Bach an heißen Sommertagen Schatten spenden und dadurch die Wassertemperatur für die Tiere und Pflanzen im Bach niedrig halten. In einem naturfernen Umfeld - geprägt durch Äcker, Siedlungen oder Industrie – hat das Ufer aber noch mehr Aufgaben.
Etwa die Hälfte #unsereFlüsse-Bäche liegt in einem naturfernen Umfeld
Die Bewachsung am Ufer mit Büschen und Bäumen sei in dem vom Menschen geprägten Umfeld wie ein „Puffer, der den Bach davor schützt, dass Feinsedimente, Dünger oder Schadstoffe ins Gewässer gespült werden“, sagt Aletta Bonn. Besonders bei Starkregen kann das zum Problem werden. „Fast die Hälfte der untersuchten Bachabschnitte (41%) hatte keinen oder nur einen lückigen Gewässerrandstreifen, und über 70 gemeldete Bäche (4%) hatten gar keine Uferbäume“, stellte das Helmholtz-Team fest.
Ein Drittel der Bäche sind begradigt
Einige Bäche seien nicht nur begradigt, sondern darin seien zudem Rohrleitungen zu erkennen, wie es auch ein #unsereFlüsse-User aus Bad Kreuznach über den Ellerbach schreibt: „Künstlich angelegter Seitenarm, der in einem großen Teich fließt, der wiederum durch ein Rohr (3 Meter Länge) in den Bach fließt.“ Oder der Bellingerbach für den #unsereFlüsse-Teilnehmer Klaus Hermes kämpft: "Ich bin jetzt 73 Jahre alt und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich das noch erlebe, dass der Bach frei fließen kann." Das sind Bäche, sagt Aletta Bonn, deren Renaturierung aufwendig sei. Aber es gibt auch Beispiele von „Maßnahmen, die keine jahrelange Projektplanung benötigen.“
„Den Bächen wieder Raum geben, damit sie sich selbst regenerieren können.“
Aletta Bonn erzählt von einer Gruppe Angler in Jena, die an einem Wochenende „Kies, Totholz und andere Störelemente in den Bach einbracht haben, um die Gewässersohle und das Strömungsbild aufzuwerten.“ Weitere Möglichkeiten sind Uferrandstreifen zu verbreitern und sie mit standortgerechten Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen. Sie spricht von „Vielfalt und Dynamik in den Bach wieder reinbringen“.
Natürlich sollte man vorher mit den Flächeneigentümern, Bewirtschaftern, Behörden und allen Akteuren vor Ort reden und Genehmigungen einzuholen, rät sie. Eine Bachrenaturierung ist ein Prozess, der am besten im Team gelänge. Es gehe darum, wieder ein vielfältiges Bachbett zu schaffen und natürliche Gewässer-Randstreifen wiederherzustellen. Sie würde sich wünschen, dass ausgehend von der #unsereFlüsse-Karte die Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, sich zusammenschließen und gemeinsam den Bächen wieder mehr Raum geben.
Hier kann man mitmachen und selbst aktiv werden:
- Grundlage für die ARD-Mitmachaktion: das Citizen Science-Projekt FLOW.
- Angler für die Natur: Gewässerverbesserer
- Flussbefreier - eine Aktion des WWF Deutschland