So., 09.06.24 | 20:40 Uhr
Das Erste
Europa hat gewählt – wohin steuert Deutschland?
Bis zum kommenden Sonntag sind die Wahlberechtigten der Europäischen Union aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. War vor fünf Jahren der Klimaschutz eines der wichtigsten politischen Anliegen, bestimmen heute Kriegsangst, äußere und innere Sicherheit und die Folgen von Migration die thematische Agenda. Verschiebt ein möglicher Stimmenzuwachs rechtspopulistischer und euroskeptischer Parteien die Kräfteverhältnisse auf dem Kontinent?
In ihrer Sendung diskutiert Caren Miosga mit ihren Gästen darüber, inwieweit die Ergebnisse der Europa-Wahl auch ein innenpolitischer Fingerzeig sind. Welche Signale senden die Wählerinnen und Wähler an die regierende Ampel-Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz?
Kevin Kühnert
Der SPD-Politiker ist seit 2021 Generalsekretär seiner Partei und leitet in dieser Funktion den Wahlkampf für die Europawahl. Die jüngsten Umfragen sehen die Sozialdemokraten zwischen 14 und 16 Prozent, was ungefähr dem historisch schlechten Ergebnis der Europawahl 2019 entspricht – dieses führte zum Rücktritt der damaligen Parteivorsitzenden Andrea Nahles. In diesem Europawahlkampf setzte die SPD auf die Themen Frieden, Demokratie und eine Abgrenzung von rechten Parteien. Ob diese Strategie aufging, erklärt Kühnert am Abend der Europawahl.
Jens Spahn
Der CDU-Politiker rechnet damit, dass Europa nach der Wahl so konservativ und rechts der Mitte aufgestellt sein wird, wie lange nicht mehr. Auch zeigt er Verständnis dafür, dass seine Parteikollegin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, es nicht ausschließt, sich auch mit den Stimmen der Rechtsaußen-Partei von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wiederwählen zu lassen. Die Brandmauer verlaufe rechts von Melonis Partei, so Spahn. Kritik übt er an Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich im Europawahlkampf als Friedenskanzler inszeniere. Das sei eine gefährliche Strategie.
Melanie Amann
Die stellvertretende Chefredakteurin vom SPIEGEL, Melanie Amann, kommentiert und ordnet ein, wie weit Europa bei dieser Wahl nach rechts gerückt ist. Sie spricht über mögliche Bündnisse rechter Parteien und über das, was Europa noch zusammenhält. Amann ist seit 2013 beim SPIEGEL. Zuvor war sie unter anderem bei der Financial Times Deutschland und in der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig. Sie ist ein regelmäßiger Gast in politischen Gesprächsformaten.
Jürgen Trittin
Er saß für Bündnis 90/Die Grünen mehr als 25 Jahre im Deutschen Bundestag und war in der rot-grünen Regierungszeit von 1998 bis 2005 Bundesumweltminister. Anfang des Jahres hat sich Trittin aus dem Politbetrieb zurückgezogen, wo er sich zuletzt vor allem mit Außenpolitik beschäftigt hatte. Er befürchtet einen weiteren Rechtsruck in Europa. Aus seiner Sicht entscheidet sich mit dem Ausgang der Europawahl auch die Frage, ob Europa militärische Stärke und wirtschaftliche Souveränität gegenüber China und den USA zurückgewinnen kann.