So., 06.10.24 | 21:45 Uhr
Das Erste
Ist der Krieg im Nahen Osten noch zu stoppen, Frau Baerbock?
Ein Jahr ist der Überfall der Hamas auf Israel nun her, noch immer sind etwa 100 israelische Geiseln in Händen der Terrororganisation und jetzt droht dem Nahen Osten ein Krieg an mehreren Fronten: Nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah und einer israelischen Bodenoffensive im Südlibanon, feuerte der Iran rund 200 Raketen auf Israel. Israels Premierminister Netanjahu kündigt Vergeltung an, während der Iran mit noch schärferen Gegenmaßnahmen droht. Gleichzeitig versucht Netanjahu im Gaza-Streifen die Hamas zu zerschlagen.
Derweil leidet die palästinensische Zivilbevölkerung dramatisch, es fehlt an Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung. Ebenso leben die Menschen in Israel in Angst vor Attacken. Wie positioniert sich Deutschland in diesen Konflikten? Wie wirksam ist Diplomatie in dieser Situation noch? Und wird Deutschland seinem Versprechen, die Sicherheit Israels sei Staatsräson, gerecht?
Annalena Baerbock
Seit einem Jahr betreibt die deutsche Außenministerin Pendeldiplomatie im Nahen Osten, reiste elfmal in die Region, davon neunmal nach Israel. Nach der jüngsten Eskalation durch iranischen Raketenbeschuss auf Israel konstatierte sie: „Die Lage ist brandgefährlich.” Die Grünen-Politikerin betont das Recht Israels, sich gegen den Terror zu verteidigen. Gleichzeitig mahnt sie, es dürfe keine weitere Eskalation und keinen Flächenbrand geben. Kurz vor dem Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober erinnert Baerbock an das Schicksal der rund 100 Geiseln, die noch immer im Gaza-Streifen von der Hamas gefangen gehalten werden. Bei jedem ihrer Besuche in Israel trifft sie Angehörige der Entführten.
Guido Steinberg
Der Nahost-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik analysiert Israels Vorgehen im Südlibanon: „Im Moment sieht es so aus, als hätte die Hisbollah den Israelis nichts mehr entgegenzusetzen.“ Der Iran sei daher in einem Dilemma: Auf der einen Seite stehe der Wunsch nach Vergeltung für den Tod von Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah. Auf der anderen Seite habe Teheran aber Angst vor einer direkten Konfrontation Israel und seinem engen Verbündeten USA. Auch der Raketenangriff vom 1. Oktober sei daher eher ein symbolischer Akt als eine ernsthafte Maßnahme zur Unterstützung der Hisbollah.
Daniel Gerlach
Der Publizist und Chefredakteur des Magazins "Zenith" befasst sich seit mehr als 25 Jahren mit dem Nahen Osten. Er kritisiert das aus seiner Sicht eskalierende Vorgehen von Israels Ministerpräsident Netanjahu, auf den seine westlichen Partner immer weniger Einfluss nehmen könnten. Er analysiert, wie geschwächt die Hisbollah, die Israel seit dem 8. Oktober mit Raketen beschießt, mittlerweile ist. Statt der israelischen Bodenoffensive im Südlibanon hätte es nach Gerlachs Einschätzung eine Chance auf eine diplomatische Lösung gegeben.