Mo., 28.10.24 | 00:05 Uhr
Das Erste
Druckfrisch-Musiker des Monats: Alexander von Schlippenbach
"druckfrisch"-Musiker des Monats Oktober 2024 ist Alexander von Schlippenbach, dessen Bedeutung für die Entwicklung der Musik im letzten Jahrhundert umgekehrt proportional zu seiner Bekanntheit ist. Wir besuchten den deutschen Free-Jazz-Urvater in seinem Berliner Studio, das exakt genau so groß ist, wie der Flügel, auf dem der 86-Jährige dort spielt. Unsere Bitte um eine einmütige Improvisation erfüllte er gleich drei Mal, allerdings liegt es in der Natur seines freien Spieles, dass jedes Stück völlig anders ausfiel. Für die armen Zuschauer, die nicht wissen, wer Alexander von Schlippenbach ist: Von Schlippenbach gründete 1966 das Globe Unity Orchestra, dem auch Peter Brötzmann angehörte, und auf das maßgeblich die Entwicklung des europäischen Free Jazz zurückgeht. Alex von Schlippenbach erfand dafür auch den "General Cluster": Mittels eines Brettes, das so breit wie seine Klaviertastatur war, spielte er alle Töne gleichzeitig.
Mit einem anderen legendären deutschen Komponisten hat die Sendung begonnen: Peter Thomas, frühen Fernsehzuschauern bekannt durch seine Filmmusiken für "Raumschiff Orion" oder viele Jerry-Cotton- und Edgar-Wallace-Filme hatte nie Angst vor Genre-Grenzen. Gerade ist eine Doppel-LP des Peter Thomas Sound Orchesters erschienen, die sogenannte "Library Music" versammelt: Musik, die nicht für den Markt, sondern "for professional use only" nur in Soundbibliotheken bereitgestellt wurde, um als Gema-freie Stimmungsmusik für Commercials zu dienen. Auf diesen Tracks ist Peter Thomas noch freier und innovationsfreudiger als in seinen eh schon zwischen "Heavy Easy Listening", Krautrock und Spacefreakout mäandernden Filmmusiken.
Noch größer als Filmmusiker ist natürlich nur noch der heilige Ennio Morricone, in dessen ebenso unübersehbarem wie genialem Schaffen es immer wieder neue Entdeckungen zu machen gilt. Diesmal empfehlen wir die Musik zu dem etwas wirren Streik-Sozial-Drama "La Califfa", in dem Romy Schneider eine verführerische Arbeiterführerin und Ugo Tognazzi einen ihr verfallenden, immer weichherzigeren Industriellen spielt, dessen Fabrik besetzt wird und dessen Herz (und Leben) dann der Arbeiterführerin zum Opfer fällt. Und Ennio lässt die Geigen dazu heulen, dass es eine klassenkämpferische Freude ist.
Zu spät aufgefallen ist uns, dass die Musik zur Sendung etwas arg den späten 60ern, frühen 70ern entspringt. Allerdings fügt sich Elvis Presleys Version des Tommy Tucker Klassikers "Hi-Heels Sneakers" so perfekt ins Bild: Ein nicht allzu tiefgründiger und dennoch immer wieder beglückender Up-Tempo-Blues-Song, geschrieben 1963 und vom "King" 1966 gecovert. Auch so unterschiedliche Interpreten wie Janis Joplin, Jose Feliciano und Stevie Wonder oder Jeff Beck haben dem Song ihre Stimme geliehen. Ein Chamäleon von einem Song.
Nur einmal wagen wir uns musikalisch in der Sendung ins 21. Jahrhundert. Aber auch "Jenny Again" der englischen Folktronika Band Tunng stammt bereits aus dem Jahr 2006. Allerdings hat deren verblüffender Mix aus pluckernden Gitarren, verführerischen Vokals und avantgardistisch verstörenden Elektronik-Einsprengseln nichts an Frische verloren. Zum 20-jährigen Band-Jubiläum 2025 ist eine neue LP angekündigt. Wie verlautet, wird es da "druckfrisch" auch noch geben.
Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Alarm | Peter Thomas |
Hi-Heel Sneakers | Elvis Presley |
Haru Mo Yuki | Alexander von Schlippenbach |
Jenny Again | Tungg |
La Califa - Prima E Dopo L‘Amore | Ennio Morricone |
Stand: 27.10.2024 18:42 Uhr
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