Mo., 28.10.24 | 00:05 Uhr
Das Erste
Denis Scheck empfiehlt: "Mythos Nationalgericht" von Alberto Grandi
Literatur, die mich fasziniert, erzählt immer wieder davon, dass alles in Wahrheit vielleicht ganz anders sein könnte, als man uns lange erzählt hat. Ein solches Buch möchte ich Ihnen heute vorstellen. Es heißt "Mythos Nationalgericht", stammt von dem italienischen Wirtschaftshistoriker Alberto Grandi und räumt auf mit dem weitverbreiteten Kinderglauben, wonach die Urpfeiler der italienischen Küche auf jahrhunderte-, ja sogar jahrtausendealten kulinarischen Traditionen beruhen.
Alberto Grandi hat mit einigen ketzerischen Fragen in Italien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Besitzen die berühmten "Spaghetti carbonara" nicht auffallend große Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Frühstück Speck und Eier? Und überhaupt: Wurde die vermeintlich echte italienische Küche nicht erst von aus ihrer bettelarmen Heimat ausgewanderten Italienern in den USA erfunden? Stammt der heutige Parmesan vielleicht eher aus Wisconsin als aus Parma? Wie jungfräulich ist das italienische Olivenöl? Was hat das pro Liter zwischen 400 und 1500 Euro kostende köstliche Nischenprodukt Aceto balsamico tradizionale mit der Massenware Aceto balsamico di Modena zu tun? Und heißt die authentischste italienische Spezialität vielleicht nicht doch Nutella?
Sein Buch ist eine köstliche Spurensuche und erschöpft sich keineswegs in harmloser Kulinarik. Grandis Fragen besitzen durchaus politische Relevanz, berühren sie doch die heiß geführten Debatten um Identitätspolitik, was uns ausmacht und definiert, wer wir sind und wer wir sein wollen. Also vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie 'Mythos Nationalgericht' von Alberto Grandi, erschienen in der deutschen Übersetzung von Andrea Kunstmann.
Stand: 27.10.2024 18:42 Uhr
Kommentare