So., 19.01.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch
10) Bas Kast: "Warum ich keinen Alkohol mehr trinke"
Verzicht kann Gewinn bedeuten – von dieser Erkenntnis leben Fastenprediger seit Savanorolas Zeiten. Tatsächlich sprechen die wissenschaftlichen Erkenntnisse neuester Zeit, die Bas Kast hier zitiert, eine eindeutige Sprache: Alkohol ist und bleibt in jeder Dosierung ein Nervengift, das berühmte eine Glas Rotwein am Abend als lebensverlängernde Maßnahme leider nur eine schöne Mär. So ist Kasts Buch Teil jener Aufklärung, die traurig macht. Aber Wein ist nicht nur Alkohol, sondern Kultur und Genuss. Sehen wir also das Positive: Angesichts der bedauerlichen Knappheit von Egon-Müller-Trockenbeerenauslesen und Chateau Lafite enthält auch dieses Buch eine frohe Botschaft.
9) David Goggins: "Can’t hurt me"
Auch in diesem Buch eines Karriereoffiziers wird in einer Tour gepredigt – allerdings das uramerikanische Evangelium von der Überwindung aller Widerstände durch Selbstoptimierung. Für Goggins sind alle Hindernisse im Leben Eskaladierwände, die sich mühelos wie Maulwurfshügel überwinden lassen. Banal, redundant und überflüssig.
8) Alexej Nawalny: "Patriot"
Nawalny macht es westlichen Lesern mit seiner in russischer Lagerhaft geschriebenen Autobiographie nicht leicht: sein grotesk ausgestellter Patriotismus, seine Frömmigkeit, nicht zuletzt die Auslassungen in der Beschreibung seiner politischen Biographie. Das ändert aber kein Iota daran, daß Alexej Nawalny zu einem Märtyrer im Kampf gegen Putins Diktatur geworden ist, der für seine Überzeugungen mit dem Leben bezahlte.
7) Anne Applebaum: "Die Achse der Autokraten"
Die Politikwissenschaftlerin Anne Applebaum analysiert in diesem fakten- und einsichtsreichen Buch die Netzwerke der diktatorischen Herrscher unserer Gegenwart. Der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels gelingt ein überzeugender Appell, sich gegen die Bedrohung unserer liberalen Demokratien zu wehren und sich nicht wie Georgiens Kawelaschwili, Ungarns Orban oder Serbiens Vučić zum nützlichen Idioten von Xi Jinping, Putin & Co. zu machen.
6) Yuval Noah Harari: "Nexus"
Politische Ideologien, organisierte Religionen und auf KI basierende Tools, so der israelische Historiker und Welterklärer Harari, weisen eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit auf: Sie münzen Information in Macht um. Wie auf Wahnvorstellungen gründende totalitäre Netzwerke seit 10.000 Jahren unsere Freiheit bedrohen, aus dieser bedenkenswerten Warnschrift lässt es sich erfahren.
5) Brianna Wiest: "101 Essays, die dein Leben verändern werden"
Die Kurzessays dieser amerikanischen Populärautorin bieten inspirierende Anleitungen, sich selbst ein wenig auf die Spur zu kommen, und das, was einem an der eigenen Grundeinstellung nicht passt, zumindest zu versuchen zu verändern.
4) Robert Greene: "Power. Die 48 Gesetze der Macht"
Eine im Vergleich zum Original um über fünfzig Prozent eingedampfte Readers-Digest-Version eines selbstgekürten Nachfolgers von Sun Tsu, Machiavelli und Clausewitz. Vertraue deinen Freunden nicht, verschleiere deine Absichten, lass dir von niemandem in die Karten schauen – für mich eine Anleitung zum Unglücklichsein aus der Feder eines US-amerikanischen Möchtegern-Masterminds.
3) Hape Kerkeling: "Gebt mir etwas Zeit"
Kerkelings Erforschung seines Familienstammbaums führt ihn zum Vergnügen von uns Leserinnen und Lesern von Recklinghausen zu den Royals und vor allem ins historische Amsterdam. Diesem charmanten Plauderer folgt man gern – auch vom Hölzchen auf Stöckchen.
2) Elke Heidenreich: "Altern"
Ludwig Tieck schrieb einmal ein Lob auf langweilige Bücher, weil diese in ihren Lesern das Gefühl auslösten, dass sich ihre restliche Lebenszeit unendlich vor ihnen ausbreite und im Grunde gar nicht vergehe. Insofern kann ich auch Heidensreichs kurzen, aber enorm zähfädigen Essay loben: ich kam mir bei der Lektüre geradezu unsterblich vor.
1) Angela Merkel: "Freiheit"
Auch wenn die ganz großen Überraschungen in diesen Memoiren ausbleiben – wer hätte die auch von Angela Merkel erwartet? – und die Konstruktion von Spannungsbögen nicht ihre Sache ist, lesenswert sind die Erinnerungen der ersten deutschen Kanzlerin der Bundesrepublik allemal. Dies insbesondere wegen der Schilderung ihrer Sozialisation in der DDR, die sie mit starken Worten kommentiert: "Überhaupt war die offizielle DDR für mich die Inkarnation der Geschmacklosigkeit". Ein notwendiges Gegengift zur grassierenden Ostalgie.
Stand: 19.01.2025 16:56 Uhr
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