So., 30.01.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Die Klimabäckerei
Lieber verheizen als wegwerfen
"Und die Schweine, die kriegen dann das gute Zeug." Es ist eine Mischung aus Empörung und Resignation, die in Thorsten Buddes Gesicht zu lesen sind. Obwohl es der alltägliche Job des Lkw-Fahrers ist, Altbrote und Brötchen von Bäckereien abzuholen und dorthin zu fahren, wo sie zu Viehfutter verarbeitet werden. Tonnenweise landet Brot in Deutschland auf dem Müll. Nur ein Bruchteil von dem, was die Kunden bis zum Abend nicht kaufen, wird am Folgetag zum halben Preis verkauft oder an gemeinnützige Tafeln für Bedürftige verschenkt. Das Gros wird zu Viehfutter verarbeitet - oder vernichtet.
Verschwendung von Ressourcen
Warum diese unglaubliche Verschwendung von Ressourcen? In einem Brot stecken nicht nur wertvolle Rohstoffe, sondern auch Zeit und Arbeitskraft des Bäckers – und Energie. Bis ein Kilogramm Brot hergestellt ist, sind im Durchschnitt 600 Gramm CO2 freigesetzt worden. Vergleicht man das mit einer Autofahrt, kommt man mit einem VW Polo vier Kilometer weit. Nimmt man ein Kilogramm Brötchen, erhöht sich die CO2-Bilanz sogar auf 900 Gramm, denn Brötchen werden eingefroren und wieder aufgetaut. Entsprechend könnte man mit dem VW Polo zwei Kilometer weiter fahren.
Kunden wollen Vielfalt
Die Bäckereien produzieren zehn bis zwanzig Prozent mehr Brot und Brötchen, als sie verkaufen. Roland Schüren aus Hilden hat die Bäckerei von seinem Vater übernommen. In den siebziger Jahren hat der Vater noch zehn Brot- und fünf Brötchensorten gebacken. Roland Schüren stellt heute eine Palette von sechzig Brot- und dreißig Brötchensorten her.
Die Bäckereien konkurrieren immer stärker um die Gunst der Kunden. Das Angebot soll möglichst attraktiv und vielfältig sein. Ein leeres oder halbleeres Regal am späten Nachmittag kann oder will sich da keiner leisten. Will man auf dem Markt bestehen und die Vielfalt bis zum Ladenschluss bieten, bleibt zwangsläufig eine Menge Brot über.
Brot brennt gut
Roland Schüren macht aus der Not eine Tugend. Oder besser: aus dem Überfluss Energie. Die Altbrote, die er aus seinen Filialen zurückbekommt, werden von seinen Mitarbeitern geschreddert. Das geschredderte Brot wird in einem Biomassekessel verbrannt und heizt so die Öfen der Backstube an. Weil es so gut brennt, spart Schüren dadurch Holzpellets ein. Das Brot ist jedoch nur ein Teil von Schürens Energiekonzept. Er erzeugt auch mit der in der Backstube entstehenden Abwärme warmes Wasser für Spülmaschinen, für Heizungen und zum Abtauen der Kühlanlagen. Die Ruheräume für das Brot kühlt er mit Wasser statt mit Ventilatoren.
Schüren weiß, dass Brot als Nahrungsmittel für viele Menschen einen hohen Symbolwert hat. Er betont daher, dass er Altbrot zunächst reduziert anbietet und gemeinnützige Tafeln für Bedürftige beliefert, Paniermehl aus Brot herstellt, und erst dann - wenn das Brot nicht mehr zu verwerten ist - verbrennt. Kuchenreste gehen an einen Futtermittelhersteller.
Autorin: Caroline Nokel (WDR)
Stand: 08.09.2015 15:08 Uhr