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Schifffahrt wie auf Schienen

Insel der Schiffsunglücke

Luftaufnahme der Insel Ouessant
Die Ile d’Ouessant: Insel im wilden Atlantik. | Bild: HR

Ouessant, die Insel der Leuchttürme: Einsam liegt sie inmitten der wildesten atlantischen Gewässer, zwanzig Kilometer vom bretonischen Festland entfernt. Umgeben von tückischen Meeresgräben gilt sie als die Insel der Schiffsunglücke. Am unberechenbarsten ist die Fahrrinne "Fromveur" - eine der gewaltigsten Gezeitenströmungen Europas.

Tückische Strömungen bedrohen Schifffahrt

Bewegte See.
Tükische Wellen und eine schnelle Strömung machen die Passage für Schiffe gefährlich. | Bild: HR

Kapitän Yann Creismeas, der täglich vom Festland zur Insel fährt, kennt die Tücken. Er weiß, dass hier das Meer an manchen Stellen hundert, an anderen nur zehn Meter tief ist. Ein erfahrener Seemann, der genau versteht, was das bedeutet: "Sie können sich sicher vorstellen, wie sich die Wellen, die sich plötzlich aufbauen, hier anhäufen, verschmelzen und ihren Rhythmus ändern, wenn sie auf Hindernisse treffen. Und dann finden sie sich in diesen kleinen, schnurgeraden Rinnen wieder. Das heißt, das Wasser wird immer schneller, die Strömung immer stärker. Am schwierigsten ist es, wenn Strömung und Wind aufeinander prallen. Da gibt es dann Berge von Wasser." Viele Schiffe haben die gefährliche Passage entlang der Insel zum Ärmelkanal nicht heil überstanden. Rund um die Insel liegen dutzende gekenterter Wracks. Jahr für Jahr ziehen rund 50.000 Containerschiffe, Frachter, Passagierschiffe und Tanker nordwestlich an der Insel vorbei, um in den Ärmelkanal zu gelangen. Ein atlantischer Highway, auf dem es immer wieder zu Katastrophen kam.

Januar 1976. Die "Olympic Bravery" - ein 331 Meter langer Öltanker - strandet in den Felsen von Ouessant. Er war auf dem Weg von Brest nach Norwegen. Zum Glück hatte er keine Fracht geladen. Und so sind es "nur" die 1.200 Tonnen Dieselöl, welche die Küste von Ouessant verschmutzen.

Im März 1978 die nächste Havarie: Der Supertanker "Amoco Cadiz" läuft auf einen Felsen und bricht auseinander. Über 220.000 Tonnen Rohöl fließen ins Meer und verseuchen die bretonische Küste auf einer Länge von 360 Kilometern. Die Bevölkerung ist verbittert. Viele Menschen verlieren durch die Ölpest ihre Arbeit.

Der atlantische Highway wird überwacht

Radarturm auf der Insel Ouessant
Ein Radarturm wacht über die Rail d‘Ouessant. | Bild: HR

Nach dieser Katastrophe wird Anfang der 1980er-Jahre der atlantische Highway rund um die Insel neu geregelt. Es entsteht die "Rail d’Ouessant", die Schiene von Ouessant. Um sie zu überwachen, baut man einen 72 Meter hohen Radarturm.

Mann vor einem Radarschirm.
Lotsen helfen, Zusammenstöße zu verhindern. | Bild: HR

Gleichzeitig entsteht auf dem Festland, in der Nähe von Brest ein Kontroll- und Überwachungszentrum, das "Cross Corsen". Hier arbeiten 50 Menschen in wechselnden Schichten rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Die Hauptaufgabe des Cross ist die Koordination der Seenotrettung. Jedes Jahr kommen rund 10.000 Notrufe an. Von Segelbooten genauso wie von Frachtern, Containerschiffen, Passagierschiffen und Fischerbooten.

Eine weitere Aufgabe des Cross ist die Überwachung der Meeres-Verschmutzung. Mit Flugzeugen wird nach Schiffen gesucht, die ihr Altöl im Atlantik illegal ablassen. Das passiert meist nachts und bei Sturm. Mittels modernster Satellitentechnik werden dann alle Daten sofort zum Marine-Präfekten nach Brest übermittelt - damit die Umweltverschmutzer gefunden und bestraft werden. Denn seit es die Rail gibt, blieb die Ile d‘Ouessant zwar von großen Tankerunglücke verschont. Doch die Insel mitten im Atlantik ist immer noch bedroht. Von den vielen Schiffen, die bei der Einfahrt in den Ärmelkanal einfach die Luken öffnen und ihr Altöl ins Meer entsorgen.

Autorin: Carola Wittrock (HR)

Stand: 13.11.2015 13:38 Uhr