Interview mit Hannes Jaenicke
Sie spielen zum fünften und sechsten Mal den deutschen Undercover-Ermittler Alex Pollack, wieder sind zwei spannende und actionreiche Thriller gelungen. Was macht die beiden sehr unterschiedlichen Filme aus Ihrer Sicht für die Zuschauer:innen interessant und sehenswert?
Wir versuchen, das populärste aller deutschen TVFormate, den Krimi, eher als Thriller mit brisanten Themen und Storys zu bedienen. In den neuen Filmen geht es um zwei traurigerweise höchst aktuelle, aber wenig diskutierte Themen: moderne Sklaverei und Menschenhandel bzw. Schlepper-Kriminalität. Insofern basiert der bisherige Erfolg der Reihe meines Erachtens auch darauf, dass wir mit gewissen Sehgewohnheiten brechen: Wir klären nicht, wie gewohnt, nach anfänglichem Leichenfund die dazugehörigen Morde auf, sondern erzählen komplexe, moderne Themen im Thriller-Genre.
Wie schnell sind Sie beim Start der Dreharbeiten in Amsterdam wieder in Ihre Rolle Alex Pollack geschlüpft?
Da wir uns jeweils zwei Jahre Zeit nehmen um die Drehbücher zu entwickeln und diese im Team in unzähligen Drehbuch-Meetings entstehen, bin ich seit Beginn der Reihe 2017 nie wirklich aus der Rolle des Alex Pollack rausgekommen. Das will ich auch gar nicht, dazu mag ich das Format und die Figur des in die Jahre gekommenen, desillusionierten verdeckten Ermittlers viel zu gern. Und da ich das Glück habe, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis mehrere Kriminalbeamte zu haben, versuche ich, meine Figur weniger als fiktiven TV-Kommissar, sondern so authentisch wie irgend möglich zu spielen.
Pollack wirkt in den neuen Filmen ein Stück weit verbissener, härter, aber auch nachdenklicher. Wo steht er gerade in seinem Leben?
Nach 30 Jahren Kampf gegen die Windmühlen der organisierten Kriminalität ist Pollack längst an dem Punkt, wo er seinen Job an den Nagel hängen würde, wäre da nicht sein fast pathologischer Gerechtigkeitssinn, und bei aller Nüchtern- und Abgebrühtheit sein etwas zu großes Herz für die Opfer, die Underdogs und Unterprivilegierten. Auch hat er in Bram, seinem niederländischen Kollegen, und dessen Team in Amsterdam Partner gefunden, mit denen er lieber und besser zusammenarbeiten kann als mit seinen ehemaligen, von der deutschen Bürokratie gebeutelten Beamten-Kollegen des LKA in Düsseldorf.
In „Das Mädchen ohne Namen“ verfolgen Pollack und sein Team eine sehr riskante Strategie. Zählt für Pollack nur der Erfolg, egal um jeden Preis?
Keinesfalls. Pollack kalkuliert Risiken minutiös und würde so ziemlich alles tun, um seine Informant:innen zu schützen. Er weiß allerdings auch, dass Vorsicht zwar die Mutter der Porzellankiste sein mag, aber gegen Schwerstkriminelle wie Menschenhändler, nichts ausrichten kann. In Lailas Fall muss er, wenn auch widerwillig, va banque spielen. Weil er genau weiß, dass sonst unzählige andere Mädchen dasselbe Schicksal erleiden müssen wie sie, und das will er um jeden Preis verhindern. „Wir sind die vier Musketiere“, sagt Bram, Pollacks niederländischer Kollege, in „Der Tote aus dem Eis“.
Angesichts seiner vielen Alleingänge: Wie verbunden ist Pollack mit dem Team?
Pollacks Solo-Aktionen wirken nur wie Alleingänge, sie sind fast immer still und leise mit seinem Partner Bram abgesprochen. Sein Vorteil ist, dass er als Deutscher und Verdeckter Ermittler in Amsterdam Dinge tun kann, die Bram als niederländischem Beamten nie genehmigt würden. Deshalb lässt Bram ihm diese Freiheiten und nutzt diese für sich und seine Ermittlungen.
Wenn man den Film „Der Tote aus dem Eis“ gesehen hat, ist man geneigt, schnell zum Küchenschrank zu laufen, um nachzuschauen, was die Zertifizierung auf der Thunfischdose eigentlich besagt. Denken Sie, dass ein Krimiformat wie „Der Amsterdam-Krimi“ geeignet ist, die Verbraucher in Bezug auf ihren (Fisch-)Konsum zu sensibilisieren?
Sonst würden wir solche Geschichten nicht erzählen, auch wenn das nicht unser primäres Anliegen ist. Die illegalen, oft grausamen Praktiken der FischereiIndustrie sind nur der Hintergrund des Falls, im Vordergrund stehen die menschlichen Schicksale vor allem der sogenannten Seesklaven, von denen die wenigsten von uns je gehört haben.
Stellt dieser Film für Sie die perfekte Verknüpfung zwischen Ihrer Arbeit als Schauspieler und Ihrem Engagement als Natur- und Umweltschützer dar?
Nein. Wenn ich Umweltschutz betreiben will, drehe ich Dokus, verklage die Bundesregierung wegen mangelndem Klimaschutz oder gehe mit „Fridays for Future“ auf die Straße. Im „Amsterdam-Krimi“ geht es mir ausschließlich um intelligente Unterhaltung, die im Idealfall nicht belanglos und an den Haaren herbeigezogen ist, sondern spannende, relevante Geschichten erzählt, die die Zuschauer:innen überraschen.
Sie leben im Privaten sehr zurückgezogen. Wie ist es für Sie, wenn Sie für Dreharbeiten in Amsterdam sind? Was lieben Sie an der Stadt?
Ich lebe auch in Amsterdam zurückgezogen. Aber ich liebe die Stadt, Land und Leute schon seit meiner frühesten Kindheit. Ich hatte das Glück, jeden Sommer mit meiner Familie die Schulfreien an der holländischen Nordseeküste verbringen zu dürfen, und bin seitdem Fan der niederländischen Weltoffenheit, Gelassenheit, Liberalität. Und ich habe selten mit so entspannten, gut gelaunten und kompetenten Kollegen und Teammitgliedern arbeiten dürfen wie beim „AmsterdamKrimi“.