Fragen an Katja Riemann
"Das Wichtigste im Leben ist die Täuschung", lehrt Lilian Norgren ihre Tochter Tessa. Was sagt dieser Satz über Norgrens Charakter aus? Was für ein Mensch, was für eine Frau ist sie?
Ich gebe ehrlich zu, dass diese Rolle mir so an die Nieren ging, wie lange keine mehr. Eine Figur zu spielen, die keine Überschneidungen mehr mit einem selbst hat und dennoch zurückzugreifen auf das eigene Muttersein, dass ja erstmal mit bedingungsloser Liebe einhergeht, schien mir wie Verrat an mir selbst. Eine Figur zu kreieren, die in der Lage ist, sich von sich selbst, je nach Situation, quasi abzuspalten, das war für mich die schauspielerische Herausforderung, der Spannungsbogen, die Kontradiktion zwischen innen und außen...oder nein, zwischen zwei koexistierenden verinnerlichten Haltungen, bei denen die eine nicht wusste, was die andere denkt, fühlt oder plant, fast wie eine multiple Persönlichkeit. Das alles mit dem Ziel von Gewinnmaximierung und Machterhalt, sei es monitär oder emotional.
Lilian Norgren ist Leiterin eines global agierenden Großkonzerns. Wie sehen Sie den Einfluss, den Großkonzerne in der Politik und auf unser Leben haben?
Wenn man sich etwas beschäftigt mit politischen, gesellschaftsrelevanten und wirtschaftlichen Themen, die über das Lesen von verkürzten Online-Artikeln hinausgehen, wenn man darüber hinaus sich mit Geschichte beschäftigt, dann kann einem nicht entgehen, dass wir nun in einer Zeit angekommen sind, in der der Kapitalismus sich so zellulär in der westlichen Welt verankert hat, dass die Probanden, wir, nicht mehr die Manipulation, den Hyperkonsum realisieren, weil wir denken: das ist mein Leben. Die Diktatur der Wirtschaft ist so umfassend und versucht alles, um als agierender Diktator nicht sichtbar zu sein, und – es funktioniert. Es ist gruselig, denn wir machen alle mit, wir befeuern es, für unseren Komfort und unsere Bequemlichkeit. Das Buch der Stunde zu diesem Thema ist für mich "Die smarte Diktatur: Der Angriff auf unsere Freiheit" von Harald Welzer. Dass es Tatsache ist, dass mit TTIP die Situation eintreten kann, dass Großkonzerne Regierungen auf Schadensersatz verklagen können, sollte unbedingt alle Menschen auf den Plan rufen, sich dagegen zu wehren, denn in demokratischen Gesellschaften zu leben, wie der deutschen beispielsweise, ist eine Errungenschaft, die lange benötigte, um überhaupt in der gelebten Demokratie anzukommen, und ist ganz sicherlich nicht garantiert; wir müssen sie immer wieder überprüfen und darum ringen. Und wenn wir mit unseren heutigen Informationsmöglichkeiten auslassen, uns wahrlich zu informieren, dann ist das nicht nur beängstigend, sondern sehr traurig.
Inwiefern haben Sie die Dreharbeiten zu dem Film für das Thema TTIP sensibilisiert? Ihre Haltung verändert?
Meine Haltung hat sich nicht verändert, sondern höchstens stabilisiert, weil man durch die Beschäftigung mit einem Thema schlichtweg mehr erfährt oder kausale Zusammenhänge realisiert. Derzeit jedoch stehen wir erstmal vor der Frage, wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten?
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