Charakteranalyse von Maria Bucher

Reinhard Haller, in Österreich als psychiatrischer Gerichtsgutachter bekannt, hat die Charaktere der "Pregau"-Figuren analysiert.

Maria Bucher mit ihrem Mann Hannes
Maria Bucher mit ihrem Mann Hannes | Bild: ARD Degeto/Mona Film / Petro Domenigg

Kontrolliert-freundlich, strebt nach Macht

Typ der sozial kompetenten, nach außen kontrolliert-freundlich auftretenden Geschäftsfrau. Befindet sich in einer Umbruchsphase, in der sie sich von Mann und Tochter entfernt und zur Herkunftsfamilie zurückkehren will, deren Ideale mehr und mehr übernimmt und nach Macht strebt. Sie will sich wieder in den Clan einfügen und strebt  letztlich die Rolle des Familienoberhaupts – ihres mächtigen Vaters – an: Berufliche Verwirklichung satt Hausfrauen- und Mutterrolle, (den Familienbetrieb) Führen statt (die kranke Tochter) Pflegen, Macht ausüben statt emotionale Geborgenheit suchen. Es gelten die Regeln und Werte der Geschäftsmafia, nicht mehr jene der Partnerschaft und eigentlichen Familie.

Maria hat in jungen Jahren vorübergehend "rebelliert", hat die Ausbildung ganz entgegen dem Wunsch und den Vorstellungen ihres Vaters abgebrochen (was dieser als Narzisst niemals verzeihen kann) und ist mit einem standesgemäß unterlegenen Partner "durchgebrannt". Mit diesem hat sie lange Zeit ein enges Verhältnis gehabt. Dass er aber nicht zu ihr passt, drückt sich in Statur, Sprache, Kleidung und Wertehaltung aus: Sie wirkt körperlich größer und intellektuell überlegen. Er trägt Dienstuniform, sie teures Businessdress. Geschäftstermine sind jetzt wichtiger als gemeinsames Frühstück mit der Familie.

Maria hat ihr "halbes Leben" der psychisch gehandikapten Tochter Sandra geopfert. Die Sorge um das Kind hat sie mit ihrem Mann zusammengeschweißt. Jetzt ist aber die Liebe zu ihrem Mann zu Gunsten dem Streben nach Macht abgeklungen.

Gegenüber der Tochter hat Maria eine gewisse Eifersucht entwickelt ("alles dreht sich nur um sie") und setzt sich von ihr zunehmend ab. Die Ambivalenz  gegenüber Sandra manifestiert sich im fehlende emotionalen Austausch und der nur noch oberflächlichen Sorge um die richtige Medikamenteneinnahme, die Arztbesuche usw.

Am treffendsten zeigt sich diese Entwicklung in jener Szene, in der sie mit ihrem teuren Wagen wegfahren will und zu Sandra sagt: "Und jetzt geh mir aus dem Weg". Will heißen, Sandra war ihr immer im Weg und darf jetzt keine Rolle mehr spielen. Sandra ihrerseits spürt diese Veränderung und fühlt sich mehr und mehr zum Vater und dessen Emotionalität hingezogen.

Die Absetzentwicklung von Mann und Familie hin zum eigenen, den Vorstellungen der Herkunftsfamilie folgenden Leben, zieht sich durch den ganzen Film. Sie reicht von  Ambivalenz in der Beziehung zu ihrem Mann bis zu Trennung und offener Ablehnung. Dass sie aber im Gegensatz zu Elias, Lukas und Johann doch noch ein Herz hat und mit ihren alten Idealen kämpft, zeigt sich besonders eindrucksvoll, als sie dem gefesselten und von ihrem Clan offensichtlich zum Tode verurteilten Hannes ein Handy- Abschiedsgespräch mit Sandra ermöglicht.

Unbewusst drückt sich ihre alte Liebe bzw. ihr Gerechtigkeitssinn wohl auch  darin aus, dass sie der Forderung nach dem "Schmerzensgeld" für Hannes Nachdruck verleiht und diese letztlich gegen ihren mächtigen Vater durchbringt. Darin liegt wohl auch der entscheidende Sieg über den Tyrannen, die "Überwindung des mächtigen Vaters", und die allmählich gelingende Übernahme von dessen Rolle: Sie hat ihre Entscheidung gegenüber dem alten Geizkragen durchgesetzt.

Um die Rolle des Big Boss zu gewinnen, muss sie die Werthaltung, die Regeln und Skrupellosigkeit des Clans akzeptieren, dies auf Kosten ihrer immer noch vorhandenen Menschlichkeit.

Ihren Wunsch nach Beendigung des bisherigen, aufopferungsvollen Lebens untermauert sie durch ein Liebesverhältnis mit einem jugendlichen Partner, mit einem exzessiven "Ausflippen", wobei hier nicht nur der Wunsch nach vergangener Jugend und lustvollem Leben, sondern wohl auch eine inzestuöse Komponente  zum Tragen kommt. Sie will nachholen, was ihr entgangen ist, stellt sich wieder- diesmal mit umgekehrten Vorzeichen – gegen Ordnung und Sitte. Gleichzeitig degradiert sie den potentiellen Konkurrenten (Lukas) zum "kleinen Jungen", den sie nach Dafürhalten hilflos zappeln lässt.

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