Interview mit Regisseur Philipp Leinemann
Sie haben 2014 mit dem Polizeithriller "Wir waren Könige" auf sich aufmerksam gemacht. War es von dort nur ein kleiner Schritt zum ersten Fernsehkrimi?
Nach dem Filmfest München, wo der Film Premiere hatte, öffneten sich einige Türen, und da ergab sich auch die Zusammenarbeit mit dem NDR, über die ich mich sehr gefreut habe. Das war ein toller Einstieg. Der Rostocker "Polizeiruf 110" hat einen erstklassigen Ruf, und wenn man als junger Regisseur mit so einem Schauspiel- Ensemble arbeiten darf, ist man sehr dankbar.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Florian Oeller, der hier sein drittes Buch für den Rostocker "Polizeiruf 110" vorlegt?
Es war das erste Mal, dass ich ein Buch nicht selbst geschrieben, sondern nur adaptiert und inszeniert habe. Florian ist ein sehr disziplinierter Autor, dessen Arbeit auch auf sehr viel Recherche basiert. Er hat eine spannende Geschichte geschrieben und ein gutes Gespür für Stoffe. Ich wusste nicht viel über die kalabresische Mafia, doch während der Arbeit an diesem Film fielen mir plötzlich immer wieder Meldungen zum Thema in Deutschland auf. Meine Aufmerksamkeit wurde dadurch selektiv geschärft. Die ’Ndrangheta ist in Deutschland präsenter, als man ahnt.
War es schwieriger, einen fremden Stoff zu inszenieren als einen eigenen?
Zunächst mal war es vor allem neu und ungewohnt. Am Set habe ich schnell gemerkt, dass es für mich anders war, wenn ich Fragen beantworten sollte. Ich musste mich viel intensiver vorbereiten und habe immer wieder das Buch durchgearbeitet, um auf alles vorbereitet zu sein. Wenn man das Buch selbst geschrieben und sowohl die szenischen Abläufe als auch die Figuren kreiert hat, ist man auf eine ganze Art damit vertraut und hat eine andere Sicherheit am Set.
Die Ermittlerfiguren haben ihre eigenen Geschichten, die kontinuierlich fortgesetzt werden. Wie war es für Sie, das Rad wieder ein kleines Stück weiterzudrehen?
Abgesehen von der Story, die den äußeren Bogen lieferte, war es natürlich genau diese horizontale Erzählweise, die mich fasziniert hat. Ich hatte das Glück, in einer Phase dazuzukommen, in der Bukow ein wenig vom Weg abkommt. Bei ihm gerät gerade alles ins Wanken: Die Frau hat sich getrennt, der Vater ist krank, zu den Kindern hat er keinen richtigen Zugang mehr, und gleichzeitig versucht er in dieser Truppe zu funktionieren. In diesem Moment einzusteigen war sehr spannend. Auch zwischen Bukow und Katrin König passiert etwas. Die professionelle Distanz schmilzt immer weiter. Charly und Anneke kennen ihre Figuren sehr gut und sind großartig aufeinander eingespielt. Wir wollten mit allen Figuren ein Stück weitergehen, und alle Darsteller haben ihre eigene Art entwickelt, an ihre Rolle heranzugehen. Sie entwickeln sich mit jeder Folge weiter, das ist das Tolle an dieser Reihe. Sie bleiben nicht stehen.
Der Kampf gegen das organisierte Verbrechen ist zäh, wie wir sehen. Haben Sie zur Arbeit der Zollfahndung eigene Recherchen angestellt?
Ich hatte ja gerade einen Film gemacht, in dem es um schwarze Schafe bei der Polizei ging, und bin dadurch sehr familiär mit Dienststellen und Behörden. Speziell mit dem Zoll habe ich mich aber noch ein Stück weit auseinandergesetzt. In den Gesprächen, die ich geführt habe, ging es um Verfahrensweisen und Abläufe, aber auch um konkrete Ausrüstungsgegenstände. Es ist mir wichtig, in dem Punkt möglichst korrekt zu sein, weil ich viele Polizisten kenne und weiß, wie sehr sie darauf achten und wie sie sich über Fehler ärgern.
"Im Schatten" beginnt mit drei Toten in kurzer Folge; der Film verstrahlt eine raue, düstere Atmosphäre. Wie sah Ihr Konzept aus?
Da "Im Schatten" ja Teil einer Reihe ist, existierten natürlich einige Vorgaben, was das visuelle Konzept angeht. Ebenso wie ich hier mit Schauspielern gearbeitet habe, die ihre Rollen schon lange bedienen, musste ich auch zusehen, dass ich mich innerhalb des vorgegebenen Rahmens bewege und trotzdem meinen Film mache. Jan Fehse war für die Kamera verantwortlich, und wir haben mit zwei Kameras gearbeitet. Bei einigen Szenen kam das Ronin-System zum Einsatz, eine Mischung aus Handkamera und Steadycam. Das hat uns große Freiheit gegeben in der Kameraführung, ohne die Kamera zu unruhig zu machen. Sonst gibt es beim Rostocker "Polizeiruf 110" oft eine sehr harte Handkamera, die das Ganze etwas ruppiger macht. Da bin ich mit einer fließenderen Kamera ein bisschen ausgebrochen. Ich arbeite gerne so, die Schauspieler haben mehr Bewegungsfreiheit und man dreht mit zwei Kameras sehr effizient. Die Energie bleibt erhalten.
(Das Interview führte Birgit Schmitz)
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