Gespräch mit Laura Tonke
Sie spielen Jeanette Kreuz, die Ehefrau des Täters in "Familiensache". Wissen Sie noch, wie Sie reagiert haben, als Sie das Buch lasen?
Ich fand die Geschichte spannend und interessant, und sie ist mir sehr nahe gegangen. Als Schauspielerin lese und empfinde ich so ein Buch natürlich noch einmal anders, zumal wenn ich eine Frau spielen soll, die Opfer eines Verbrechens wird. Denn ich muss mich da ja richtig rein begeben, ich durchlebe diese Situation dann. Und ich war eine Weile hin und her gerissen, ob ich das spielen kann, weil es mir so nahe gegangen ist. Aber erstens sind Eoin Moore und Andreas Schmidt alte Freunde von mir, mit denen zu arbeiten ich mir nicht entgehen lasse, und zweitens ist es natürlich interessant, sich zu fragen: Was bewegt jemanden dazu, seine Familie so in den Tod zu reißen? Wie kommt jemand dazu, zu denken, dass es besser für die anderen ist, wenn sie sterben?
Was für eine Frau ist Jeanette in Ihren Augen? Wie würden Sie sie beschreiben?
Ich glaube, sie war die ganzen Jahre sehr fasziniert von ihrem Mann. Arne war eine schillernde Figur und hat Jeanette viele Dinge erzählt, die sie gerne glauben wollte. Sicherlich hat sie auch hin und wieder weggehört, wenn sie eigentlich schon hätte ahnen können, dass irgendwas nicht stimmen konnte an seinen Erzählungen. Arne und Jeanette waren lange Zeit ein gutes Team. Ich glaube auch, dass es ihr gefallen hat, auf großem Fuß zu leben. Sie fand das Leben, das Arne ihr geboten hat, verlockend; er konnte ihr durchaus viel geben. Dafür hat sie auch einiges aufgegeben, wie ihr Studium zum Beispiel, und sich dadurch den Rückweg verbaut. Jeanette hat sich in eine Abhängigkeit von Arne begeben und deshalb vielleicht auch länger gebraucht, sich aus dieser Beziehung zu lösen, als gut war. Sie hat erst sehr spät begriffen, dass er zu vereinnahmend war und dass er ihre Abhängigkeit auch wollte.
Ahnt sie denn, dass er ihr gefährlich werden kann?
Nein. Sie weiß natürlich um seine Schwachstellen und seine Minderwertigkeitskomplexe, weil sie ihn so lange kennt. Aber wenn sie wüsste, was er vorhat, würde sie ihn natürlich nicht so mit Vorwürfen und anderem provozieren, dann würde sie sich sicherlich stärker schützen.
Sie kennen Eoin Moore und Andreas Schmidt u. a. aus der Arbeit an "Pigs Will Fly", in dem es um eine ähnliche Thematik ging. Inwiefern war die gemeinsame Erfahrung hilfreich?
Wenn man schon zusammen an ähnlichen Themen gearbeitet hat und sich so gut kennt, steigt man ganz woanders ein in die Arbeit. Wir sprechen auf Augenhöhe miteinander und ich konnte Vertrauen darin haben, dass das Ergebnis gut wird. Das hilft natürlich sehr und spart viel Zeit und Energie. Abgesehen davon ist Eoin Moore einfach ein wahnsinnig toller Schauspielerregisseur, deshalb freue ich mich jedes Mal, wenn ich mit ihm arbeiten kann. Er legt großen Wert darauf, dass die Figuren stimmig sind, und er mag es, wenn man sich einbringt, ist offen für Vorschläge und Ideen. Er ist ein fairer, ruhiger, besonnener und angenehm humorvoller Regisseur, was natürlich gerade bei so einer schwierigen Thematik wichtig ist.
Was haben Sie von der Auseinandersetzung mit dem Thema während der Arbeit in Erinnerung behalten? Inwiefern wurde das vertieft?
Ich habe natürlich meine eigene Sicht auf das Geschehen, weil ich hier die Opferrolle eingenommen habe, aber wir haben uns allgemein sehr viel über solche Fälle unterhalten und einiges darüber nachgelesen. Und wir haben darüber diskutiert, ob diese Geschichte auch anders hätte verlaufen können, ob Arne auch andere Wege hätte gehen können. Das fand ich sehr spannend. Denn mit ein bisschen Glück hätte es durchaus sein können, dass er an manchen Punkten auch andere Entscheidungen getroffen hätte. In gewisser Weise sind es auch Zufälle, die am Ende zu dieser schrecklichen Tat führen. Aber die Disposition hat dieser Ehemann auf jeden Fall. Arne ist eine Art tickende Zeitbombe.
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