Gespräch mit Christian Friedel
Sie spielen in "Sturm im Kopf" einen Mann, der sich selbst nicht mehr kennt. Was machte diese Figur für Sie als Schauspieler interessant?
Als ich das Buch zum ersten Mal las, habe ich mich bis zum Ende gefragt, wie viel davon wohl Fantasie ist und wie viel Krankheit. Diese Ambivalenz hat mich wahnsinnig interessiert. Da Menschen mit so einem Gedächtnisverlust völlig unversehrt aussehen, fragt man sich unwillkürlich, ob das wirklich wahr ist oder nur gespielt, wenn man ihnen gegenübersteht. Aber die Betroffenen erinnern sich einfach nicht mehr an das, was ihnen passiert ist, und auch nicht daran, wer sie sind. Und ich glaube, dass es für sie sehr schwer auszuhalten ist, dieser Skepsis in den Blicken der anderen zu begegnen und zu sehen: Der glaubt mir nicht. Diese Ambivalenz, die sich teilweise sicher auch auf den Zuschauer überträgt, fand ich spannend.
Die Ermittler argwöhnen auch zunächst, dass Max sich hinter seiner "Fugue" versteckt. Aber von der Ärztin erfahren wir, dass man das nicht spielen kann. Sie mussten es dennoch tun. Wie haben Sie sich da herangetastet?
Meistens spielt man ja Figuren mit einem Background, einer Geschichte, und die formt dann auch die Figur. Da Max Schwarz keine Kenntnis seiner Biografie hat, weil er sich an nichts mehr erinnert, fällt das hier weg. Eigentlich gibt einem das ja die Freiheit, sich eine ganz eigene Figur auszudenken, aber mir kam es vor allem darauf an, dass Max glaubwürdig wirkt. Am Anfang ist er noch stark verwirrt. Er hat diese Melodie im Kopf, die er nicht los wird; ansonsten stapft er von Situation zu Situation. Und ich habe als Schauspieler versucht, mich so glaubhaft wie möglich in diese Situationen zu versetzen, die ihm in seiner Gegenwart passieren. Auch wenn er Kopfschmerzen bekommt, weil ihm alles zu viel wird, soll das als etwas erkennbar sein, was ihm in diesem Moment wirklich passiert. Und alles, was man sich dazudenken kann, ob das gespielt ist oder nicht, das ist dann die Aufgabe des Zuschauers beziehungsweise der Kommissare.
Verändern Menschen, die unter einer Fugue leiden, sich auch in ihrer Persönlichkeit? Gibt es Beispiele, an denen Sie sich bei der Gestaltung Ihrer Rolle orientieren konnten?
Ich glaube, dass das sehr unterschiedlich ist. Das Gehirn spielt einem auch oftmals Streiche. Ich habe einige Beispiele nachgelesen, und da gab es Fälle von Menschen, die aufgewacht sind und plötzlich andere Sprachen konnten. Und es gab auch Leute, die verwirrt waren und eine andere Persönlichkeit angenommen haben. Ich persönlich bin der Meinung, dass es Eigenschaften gibt, die uns ausmachen. Natürlich bin ich alles andere als ein Experte, aber ich glaube nicht, dass man ein völlig anderer Mensch werden kann. Ich kann mir schon vorstellen, dass es, wenn negative Eigenschaften wegfallen, eine wunderbare Chance ist, noch mal neu anzufangen. Aber ich glaube, dass es gewisse Dinge im Menschen gibt, die einfach in ihm drin sind, die seinen Kern ausmachen und nicht einfach verschwinden. Bei Max zum Beispiel sieht man, wenn es schwierig wird, so einen leichten Jähzorn, insbesondere im Verhalten gegenüber seiner Frau. Den hat er sicher auch schon vorher gehabt. Wenn der Kopf verrückt spielt, muss der Bauch nicht zwangsläufig gleich mit verrückt spielen.
Max fängt praktisch wieder bei Null an. Was war für Sie das Grundgefühl dieser Figur?
Am Anfang ist ihm sein Zustand noch gar nicht richtig bewusst, da ist er noch ein Suchender. Aber ich glaube, im Laufe der Zeit kommt da eine Traurigkeit mit rein. Seine Vergangenheit nicht mehr zu kennen kann schon sehr einsam machen. Wenn man mit Menschen konfrontiert wird, die man eigentlich kennen und lieben sollte, die einem aber leider vollkommen fremd sind, und wenn man Fotos sieht, die einem zeigen, wie vertraut und glücklich man mit diesen Menschen war, dann macht das traurig, unruhig, ungeduldig und einsam. Max’ Unruhe trägt, glaube ich, auch dazu bei, dass er häufig diese Kopfschmerzattacken bekommt. Vergeblich zu versuchen, sich an seine Vergangenheit zu erinnern, muss so sein, wie wenn man versucht, sich die Unendlichkeit vorzustellen. Da kann einem ja auch der Kopf platzen.
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