Gespräch mit Alice Dwyer (Lisa Schöning)
Sie spielen im "Polizeiruf 110: Zwischen den Welten" eine Jurastudentin, die sich prostituiert. Was hat Sie an dieser Figur interessiert?
Mich interessiert es nachzuvollziehen, inwiefern Menschen solche Entscheidungen treffen, die für ihr Leben unglaublich wichtig sind. Sich oder seinen Körper zu verkaufen, ist ja etwas, das sehr stark ins Persönliche eingreift. Wenn das jemand für sich in Ordnung findet und mit dem Lebensstil rechtfertigt, den er führen möchte, wie Lisa Schöning es tut, finde ich das spannend. Interessant ist daran auch, dass es nach außen hin ja gar nicht sichtbar wird. Es gibt, glaube ich, sehr viele Studentinnen, die das machen, jedenfalls viel mehr, als man denkt. Offenbar herrscht da eine viel größere Offenheit, als man eigentlich erwarten würde.
Umfragen zufolge gibt es tatsächlich immer mehr Studenten, die so ihr Leben finanzieren. Lisa sieht das offenbar ganz pragmatisch. Ist diese Arbeit für sie inzwischen ein ganz normaler Job?
Sie hat sich damit einfach total gut arrangiert. Damit meine ich nicht, dass es ihr völlig egal ist, dass sie für Geld mit fremden Männern schläft, aber sie hat ihren Weg gefunden, damit umzugehen.
Wir erfahren nicht viel über diese Lisa Schöning. Sie wirkt kühl und distanziert und bleibt für den Zuschauer lange Zeit ambivalent. Wie sehen Sie diese junge Frau?
Wir haben uns überlegt, dass Lisa eine Einzelgängerin ist. Sie möchte ihr Studium durchziehen und Karriere machen, und sie verkauft ihren Körper, um die Mittel zu haben, die sie dazu braucht. Um in einer guten Kanzlei zu arbeiten, braucht sie ein entsprechendes Erscheinungsbild. Lisa ist sehr gradlinig. Ich glaube, wenn man sein eigenes Ding so durchziehen will, muss man teilweise auch eine Härte entwickeln. Lisa geht ihren eigenen Weg, und es ist ihr zum Beispiel nicht so wichtig, im Studium Freunde zu finden. Sie sieht diese Zeit nur als eine Etappe, eine Stufe zu einem erfolgreichen Leben. Die Prostitution ist einfach etwas, das sie eine Zeitlang machen muss, um da hinzukommen, wo sie später sein möchte. Persönliche Beziehungen oder was die Leute von außen denken, das ist ihr alles relativ egal.
Auffällig ist, dass Lisa sich niemandem anvertraut. Sascha Bukow versucht, sie zum Reden zu bringen, doch sie lässt ihn abblitzen. Traut sie der Polizei nicht?
Ich hatte beim Spielen immer den Eindruck, dass das fast so eine Art Selbstschutz ist. Wenn man sich daran gewöhnt hat, so zu leben, so ganz für sich zu sein, dann ist man eher vorsichtig. Und nur weil Bukow Polizist ist, auch wenn er ein sehr netter, sympathischer Typ ist, heißt das ja nicht, dass er unbedingt sofort was Gutes will. Wenn man einmal so eine Wand um sich errichtet hat, ist es gar nicht so leicht, sie wieder einzureißen, auch wenn man es vielleicht gern möchte.
Lisa erpresst ihren Professor, um sich eine gute Abschlussnote zu sichern. Hat sie keine Angst, sich damit in Gefahr zu bringen?
Ich glaube, dass sie in dem Moment relativ naiv ist, auch wenn sie sonst ja ziemlich abgeklärt wirkt. Sie geht da naiv ran und überlegt sich gar nicht, was für Konsequenzen das haben könnte. Sie denkt nur, bei Julia hat das funktioniert, dann wird es bei mir auch funktionieren. Klar, sie hat ja auch was in der Hand gegen diesen Professor. In welche Gefahr sie das bringen kann, bedenkt sie in dem Moment gar nicht.
Als es nicht funktioniert, entwickelt Lisa eine Intrige, um den Professor und Anwalt Kerhan der Polizei auszuliefern. Glaubt sie, dass die beiden etwas mit Julias Tod zu tun haben, oder will sie eher eine persönliche Rechnung begleichen?
Es ist beides, glaube ich. Jedenfalls ist es schwer, sich da zu entscheiden. Für sie spielt in dem Moment beides eine Rolle. Vielleicht steht die Rache an erster Stelle, aber sie vermutet, dass die beiden etwas mit Julias Tod zu tun haben, und das bestärkt sie dann noch in ihrem Entschluss.
Kommissar Bukow kommt ihr auf die Schliche – und lässt Milde walten. Wie sehen Sie das Ende? Wird Lisa neue Wege einschlagen?
Eigentlich erwartet Lisa immer, dass andere sie nur benutzen wollen. Diese Angst hat sie zuerst auch Kommissar Bukow gegenüber. Sie denkt, dass er über sie nur an Informationen kommen will und sie auch nur benutzt. Vielleicht hat sie das zu häufig in ihrem Leben erlebt und deshalb diese Härte bekommen. Aber in dem Moment, als Bukow sie im Krankenhaus besucht und ein Auge für sie zudrückt, verliert sie ein Stückchen davon, weil sie merkt, dass es auch Leute gibt, denen es wichtig ist, dass es ihr gutgeht. Sie merkt, dass man auch mal Leute an sich rankommen lassen kann und dass ihr nicht alle was Böses wollen. Jedenfalls darf man das am Ende hoffen.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit dem Rostocker Ermittlerteam erlebt?
Ich fand Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner schon vorher ganz wunderbar, und das hat sich dann auch bei den Dreharbeiten eingelöst. Die Arbeit mit ihnen war ganz zauberhaft. Darüber hinaus war es sehr spannend zu sehen, wie gefestigt sie inzwischen in ihren Figuren sind, weil sie sie über Jahre entwickeln und mit sich herumtragen und nicht nur für ein paar Tage mit einer Figur an den Set kommen. Das ist schon ein großer Unterschied.
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