Gespräch mit Charly Hübner (Alexander Bukow)
In "Zwischen den Welten" geht es um den Mord an einer jungen Frau, für den es zunächst kein Motiv zu geben scheint. Was war für Sie das Besondere an dieser Geschichte?
Dass Gier oder die Lust, vom großen Kuchen möglichst viel abzubekommen, eine junge Frau dazu treibt, sich zu prostituieren. Dass unser System diese Lust und Gier in den Menschen auslöst. Eine mögliche Folge dieses systemischen Reflexes in uns spielt dieser Film durch: ein mutterloses Kind, eine bigotte Ehe, lügende Anwälte und Dozenten.
Bukow hat Urlaub, rutscht aber gleich wieder in den nächsten Fall rein und besteht darauf, die Ermittlung selbst zu leiten. Kann der Mann nicht mehr abschalten? Was treibt ihn?
Er kann schwer abschalten, weil er sich dann mit Bukow befassen müsste, und davor läuft er weg. Angeln ginge eigentlich super, wenn da nicht seine Jungs stören würden, aber dann steht da plötzlich ein mit Blut beflecktes Kind im Wald vor seinem Auto. Da hilft man doch!
Ihr Kommissar kümmert sich einfühlsam um das kleine Mädchen, das ihn zur Leiche ihrer Mutter geführt hat. Wie haben Sie die Dreharbeiten mit den Zwillingsmädchen erlebt?
Super. Sehr professionell. Sehr still. Sehr fokussiert.
Dem hilflos agierenden, auf ganzer Linie erfolglosen Vater begegnet er dagegen mit Ungeduld. Was sieht er in ihm? Was provoziert ihn so?
Der Vater ist eine Reizfigur für Bukow, weil er in Bukows Wahrnehmung nur an sich denkt und nicht an die Tochter. Der Ermittler sieht jemanden weinen, greinen, selbstmitleidig jammern und erhöht den Druck, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass auch diese Sorte Mensch sich irgendwann wehrt oder aufmacht. Im echten Leben konnte man das im NSU-Prozess an dem Mitangeklagten Sascha S. beobachten, als er sich vor Gericht unter Schluchzen und Tränen offenbaren wollte. Ähnlich verfährt Bukow am Ende mit dem Täter. Er hasst diese Menschen nicht. Er will nur, dass er dem Kind später, wenn es erwachsen ist, sagen kann: Dieser Mensch ist in eine Situation geraten, die dazu führte, dass deine Mutter nicht mehr lebt. Dafür sitzt er im Gefängnis und du kannst ihn befragen, wenn du möchtest. Das ist nicht gutmenschelnd von Bukow. Gar nicht. Er arbeitet in meiner Wahrnehmung eine Schuld ab, die er von sich weiß, nur er. Mit jedem Fall, den er klärt, hofft er, sich schuldfreier zu fühlen. (Und seine beste Kameradin darin ist Frau König.) Aber wir wissen, dass es nicht so einfach ist.
Für die Arbeit lässt Bukow alles stehen und liegen. Dass er zu Hause Ärger bekommt, weil er zu wenig präsent ist, scheint ihn wenig zu kümmern. Warum gewinnt der Bulle in ihm immer die Oberhand?
Weil er sich da instinktiv am meisten zu Hause fühlt. Es ist gar nicht der Bulle in ihm, sondern der "Troublemaker" und "Troublecleaner".
Wir können in diesem Film beobachten, dass Bukow einen eher unkonventionellen Erziehungsstil pflegt. Wie sieht er seine Vaterrolle?
Bukow liebt seine Söhne. Er verfolgt aber kein Konzept. Für ihn sind das Männer und Kinder gleichermaßen. Er hält nichts von verwöhnen, gar nichts, und er findet alle allgemeingültigen Regeln für Kinder Quatsch, da er selber die Erfahrung gemacht hat, dass sich jedes Leben seine Regeln schafft. Er empfindet es als Zeitverschwendung, Kindern etwas Theoretisches beizubringen, wenn sie es praktisch erfahren werden. Und für alles, was ihnen nicht im Leben begegnet, müssen sie auch nicht "sicherheitshalber" vorbereitet werden. Er hat einen guten Instinkt dafür, was er ihnen zutrauen kann und was nicht. Nur warum sollen sich zwei Jungs um die zehn daran halten? Das wäre zu einfach und auch nicht in Bukows Sinne. Er mag Selbstständigkeit – aber er ist der Erste, der sie beschützt.
Kollegin König macht Fortschritte bei der Aufklärung ihrer Herkunft. Bukow unterstützt sie dabei nicht nur praktisch, sondern auch moralisch. Interessiert Bukow sich inzwischen mehr für Frau König als für Ehefrau Vivian?
Der Eindruck täuscht und er täuscht nicht. Er ist neugierig, was bei Frau König los war und ist. Schließlich hat er ihr sein Weiterarbeiten und Leben zu verdanken. Und das ist allemal spannender als eine überreizte Ehefrau.
Nach dem ernsten Gespräch in der Bar rocken König und Bukow beim Karaoke-Singen kräftig ab. Wie kam diese Szene zustande und wie gestaltete sich der Dreh?
Bei einer Drehbuchsitzung kamen wir alle zu dem Punkt, dass wir es lustig und richtig fänden, wenn Bukow und König nach diesem Gespräch am Tresen, mit diesem Inhalt und Verlauf, zufällig aber voll, voll, voll klischeemäßig "Come as you are" nachgrölen würden. Es ist ihr Dilemma, sein Dilemma, ein Dilemma im Leben, dass man ganz rein nicht der sein kann, der man empfundenermaßen ausschließlich ist. Das Leben ist komplexer, heftiger, vielfarbiger – auch für diese beiden Menschen. Und manchmal muss man dann eben wenigstens diese romantische Sehnsucht nach Klarheit herausschreien. Das machen die beiden. Damit das klappt und passiert, musste die Schamgrenze verschwinden, daher trinken König und Bukow vorher manch Alkohol. Die Dreharbeiten waren wie immer konzentriert, und da Nirvana zu meiner musikalischen Lebensreifeprüfung gehörte, war es nicht unlustig.
Bukow befragt mehrfach die hübsche Lisa, eine Freundin der Toten, die ihr eigenes Spiel in dieser Geschichte treibt – und lässt sie am Ende mit einem blauen Auge davonkommen. Was ist der Grund?
Er macht das, weil er für sich spürt, dass sie schlau genug ist, aus den Geschehnissen zu lernen. Deshalb gibt er ihr eine Chance. Keiner weiß besser als er, wie es sich anfühlt, die Scheiße, die man verzapft hat, nicht bis zum bitteren Ende auslöffeln zu müssen. Ist natürlich absolut verboten. Aber wie viel Verbotenes wird es nicht geahndet. Diese Irritation gefällt mir sehr gut.
Als Bukow seinen Urlaub dann doch noch antreten will, trifft er zu Hause niemanden mehr an. Wenn Sie ihm einen Rat geben könnten, was würden Sie ihm empfehlen?
Follow your instincts? – Follow your truth!!! But don’t forget the Kids.
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