Gespräch mit Anneke Kim Sarnau (Katrin König)

»Wenn man die Dinge ausspricht, bekommen sie eine Wahrheit, die nicht mehr verdrängbar ist.«

Katrin König
Katrin König wird von ihrem Kollegen Bukow zum Tatort gerufen. | Bild: NDR / Christine Schröder

Katrin König sucht eine Therapeutin auf, um herauszufinden, was es mit ihrem wiederkehrenden Traum auf sich hat. Vorsichtig tastet sie sich in die Vergangenheit vor. Ein schwieriger Schritt für sie?

Ja, sehr schwierig. Bislang dachte sie eigentlich, dass ihr Konfrontationen und auch persönliche Konfrontationennichts ausmachen und dass sie so etwas mutig angeht. Sie ist ja auch von Berufs wegen immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Wissen. Aber hier kommt sie an einen Punkt, an dem sie unerwartet merkt, dass das mehr mit ihr macht, als sie geahnt hat. Immerhin sucht sie sich Hilfe, das ist schon mal ein wichtiger Schritt. Ihr ist irgendwie klar, dass dies das Thema ist, dem sie ihr Leben lang unbewusst ausgewichen ist, das sie verdrängt hat, um weiterzukommen. Sie hatte kein schlechtes Leben, aber das war eben der blinde Fleck, und sie weiß, wenn sie da hingeht, dann wird’s schwierig.

Die Psychologin fordert sie auf, die Gefühle zu benennen, die die Traumbilder in ihr auslösen. Was bewirkt das?

Das zu äußern, macht was mit ihr. Wenn man die Dinge ausspricht, bekommen sie eine Wahrheit, die nicht mehr verdrängbar ist. Wenn es ausgesprochen ist, ist es draußen, und dann muss man es sich angucken und damit umgehen. Insofern zwingt sie das, sich anders dazu zu stellen. Ihr war ja gar nicht klar, welche Schuldgefühle sie mit sich herumträgt. Das ist sicher der konfrontativste Punkt, denn Schuldgefühle sind das Hinderlichste, was es gibt. Vor allem wenn Menschen sich schuldig fühlen für Dinge, für die sie gar nichts können. Und es ist ja ganz typisch, dass Kinder sich für Dinge, die mit Erwachsenen passieren, verantwortlich fühlen.

Katrin König ist eher der rational-analytische Typ. Sind Sie selbst eher Bauch- oder Kopfmensch?

Ich bin ein totaler Bauchmensch. Katrin König dagegen ist sehr brainy, sehr fokussiert und konzentriert. Das kann ich zwar durchaus auch sein, aber nur bei der Arbeit, ansonsten fällt es mir eher schwer. Ich fand es aber gerade spannend, so eine Figur zu entwickeln, weil ich als Anneke auch was von ihr lernen kann. Und weil das so eine Dichte im Spiel hat.

Liefern die Erlebnisse in ihrer Kindheit eine Erklärung dafür, warum Katrin König so kopfgesteuert ist?

Ja, absolut. Ich glaube, dass sie tief in sich drin eigentlich auch eine impulsive Seite hat, aber sie ist extrem kontrolliert, und das ist sie aufgrund ihrer Geschichte, die wir hier kennenlernen. Ich glaube, diese Erlebnisse haben sie zu einem total kontrollierten Menschen gemacht, weil sie geahnt hat, dass die Dämme brechen, wenn sie sich auf diese gefühlsmäßige Ebene begibt.

Auch die kleine Franzi im Film hat unter dramatischen Umständen ihre Mutter verloren. Die Profilerin bekommt hier einen Spiegel vorgehalten. Hat sie das Gefühl, das Mädchen beschützen zu müssen?

Ich glaube, das ist ein Prozess. Zuerst kommt das bei ihr selbst an; sie merkt, was diese Situation mit ihr macht und dass sie sich in dem Mädchen sieht, weil sie gerade innerlich so mit diesem Thema beschäftigt ist. Dann dreht es sich allmählich um: Sie betrachtet das Mädchen und weiß aus der eigenen Erfahrung heraus, was für ein Schmerz das ist, was dieses Kind gerade für schlimme Einsamkeits- und Verlustgefühle erlebt. Deshalb will sie es einerseits irgendwie beschützen und ihm helfen, und andererseits hat sie eine Riesenwut auf die Menschen, die schuld an dieser Geschichte sind.

Sascha Bukow drückt der Profilerin einen Zettel mit dem Namen ihres Fluchthelfers in die Hand. Ein bedeutender und zugleich ganz beiläufiger Moment. Sie sagt gar nichts. Was geht in ihr vor?

Das ist toll von Charly gespielt, der kann so kleine Sachen trotzdem ganz intensiv spielen. Das sind ja nur Sekunden, aber Katrin König empfindet die Situation so, als würde sie aus der Zeit gehoben, als würde ein Riese sie kurz rausnehmen aus der Gegenwart und woanders hinsetzen. Als der Moment vorbei ist, berappelt sie sich wieder, aber natürlich läuft in der Zwischenzeit ein ganzer Film ab.

Dann kommt der Augenblick der Wahrheit. Katrin König trifft den Mann, der ihr erzählen kann, was auf der Flucht geschah.

Ja, und für sie ist es so, als würde sich ein Schleier heben. Eigentlich weiß sie alles, was dieser Mann erzählt; es war nur verschüttet und sie kam von sich aus nicht richtig ran an diese Wahrheit. Deshalb die Bruchstücke, die sie im Traum verfolgen. Hannes Stein hilft ihr, das Bild wieder zusammenzusetzen und die Erinnerung wiederzufinden. Er zieht den Schleier weg, der davor liegt, damit sie sich die Situation noch mal angucken kann. Das ist das Besondere an dieser Szene.

Jetzt, wo sie mit dieser Geschichte konfrontiert wird, fällt besonders auf, wie allein Katrin König im Leben steht. Sie ist ohne Partner, ohne Familie. Kommt auch da nun Bewegung ins Spiel?

Ja, sie merkt in dieser Situation natürlich ganz stark, wie einsam sie eigentlich ist. Sie hat keine Eltern, keine Tante, keinen Freund, dem sie sich anvertrauen kann oder dem sie einfach nur sagen kann: Komm, wir gehen jetzt mal einen saufen. Sie ist drauf angewiesen, dass Bukow das mit ihr macht, und ich finde, das zeigt auch eine traurige Seite an ihr. Das Thema fängt jetzt sicherlich an, noch mal auf einer anderen Ebene in ihr zu arbeiten, aber ich glaube, vom Gefühl her wird sie weiter schwanken. Sie ist ein lonesome wolf, und einerseits leidet sie immer mal wieder darunter, aber andererseits gefällt sie sich, glaube ich, auch in dieser Rolle. So ist sie niemandem Rechenschaft schuldig und das gibt ihr eine große Freiheit.

Wird Katrin König sich nun auf die Suche nach ihren noch lebenden Verwandten begeben?

Ich fände es cool, wenn sie dem weiter nachgeht und vielleicht noch versucht, ihren Vater zu finden. Diese Spur kann dann ja auch wieder ganz woanders hinführen, als sie gedacht hätte. Man macht sich ja unweigerlich ein Bild von seinen Eltern, auch wenn man sie nicht kennt, und geht dann voller Erwartung in so eine späte Begegnung, obwohl man eigentlich gar keine Erwartung haben dürfte. Das alles fänd ich super spannend zu erzählen, und ich würde mich freuen, wenn wir da noch hingehen würden.

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