Jobst Christian Oetzmann (Regie)

Jobst Christian Oetzmann
Jobst Christian Oetzmann | Bild: WDR / Thomas Kost

Geboren 1961 in Hannover. FILM/FERNSEHEN „Tatort - Mord unter Misteln“ (2022), „Tatort – Krieg im Kopf“ (2019), „Schwartz & Schwartz“ (2018), „Marie und der schwarze Tag“ (2017) u. v. a. AUSZEICHNUNGEN Filmkunstpreis für Fernsehen für „Der Novembermann“ (2007), Grimme-Preis für „Tatort – Im freien Fall“ (2001), Bayerischer Filmpreis für „Die Einsamkeit der Krokodile“ (2000).

Hier der internationale Wirtschaftskrimi, da das Familiendrama im Ruhrpott: Das Potpourri an möglichen Motiven bei diesem Tatort reicht von Eifersucht bis Wirtschaftsspionage. Wie gelingt es Ihnen als Regisseur, hier den Spannungsbogen zu halten?
Es scheint alles schon so weit weg. Viele sind froh, die unrentablen, Dreck schleudernden Anlagen, die einst der Stolz der Region waren, die ihre Identität waren, los zu sein und wahrscheinlich hat man auch gedacht, gut, dass wir noch was daran verdient haben. Aber es hat auch bedeutet, dass die gleichen Anlagen jetzt den Dreck in China in die Luft schleudern und in Dortmund nur noch Ruinen stehen und viele Menschen keine Arbeit haben. Eine Stadt also, der man ihr dreckiges Herz entrissen hat.

„Made in China“ erzählt nun, wie der spiritus rector dieser ganzen Idee offenbar umgebracht worden ist. Denn er hat sich nicht nur Freunde gemacht, weder hier in Dortmund noch in China. Und seine Tochter, die behauptet, ihn mit einem Messer erstochen zu haben, scheint sowieso nicht recht bei Sinnen zu sein. Nebenbei bemerkt, ihre Mutter auch nicht.

Das sind schon starke Pole, zwischen denen man sich als Regisseur gut bewegen kann. Vor allem, weil unsere bewährten Kommissare sich so überhaupt keinen Reim auf die Vorkommnisse machen können. Sie merken nur, alle lügen sie an – was allerdings auch ihr Tagesgeschäft ist. Doch „Made in China“ ist noch mehr. Denn je weiter die Kommissare in die Familiengeschichte des Opfers eindringen, desto mehr sind sie auch mit ihren eigenen Geschichten konfrontiert.

Könnte es so gewesen sein …? Faber und Herzog stehen gemeinsam am Tatort und der mögliche Tathergang läuft szenisch vor ihren und den Augen des Publikums ab. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Idee?
So irren die Kommissare zunächst durch ihre Thesen und Überlegungen und jedes Mittel ist ihnen recht, zu versuchen, sich plastisch vorzustellen, wie es denn nur gewesen sein könnte. Und natürlich sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer verführt werden, jeder dieser Möglichkeiten zu folgen. Aber nicht nur als Rückblende und flash back, sondern mittendrin, mit der Möglichkeit zum Kommentar. Also stehen die Kommissare mit einem Mal mitten im vermuteten Mordgeschehen, bleiben seltsam zurückgenommen, versuchen sich ihr Bild zu machen und runzeln die Stirn, obwohl das, was sie sehen, wirklich schrecklich ist.

Nachdem sich Jan Pawlak beim letzten Fall verabschiedet hatte, muss das Dortmunder Tatort-Team sich jetzt wieder neu erfinden. War das für Sie beim Dreh eine besondere Herausforderung? Oder spielte das für Sie keine große Rolle, weil es Ihr erster Fall in Dortmund ist?
Gleichzeitig findet Faber sich immer wieder in den Intrigen seines Kollegen und Intimfeinds Haller gefangen. Ohne Rosa, die ja ebenfalls ein eigenes Drama mit ihrer Terroristenmutter hat, würde es Faber ganz schön dreckig gehen, da hilft auch schon mal ein gemeinsamer Einbruch im Labor des Kollegen, oder dass man eben zu zweit ist, wenn die neue Chefin genervt in der Tür steht oder man am Tatort zu Boden geschlagen wird, weil offensichtlich auch Dritte ein Interesse an der verschwundenen Leiche haben...

Das Buch von Wolfgang Stauch war insofern eine Einladung in einen Reigen aus launigen Dialogen, handfesten Lügen, herrlichen Bloßstellungen und absurden Behauptungen. Für das Vertrauen des Redakteurs Frank Tönsmann und der Produzentin Iris Wolfinger kann ich mich nur bedanken, dass ich diesen Reigen so fröhlich umsetzen konnte.

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