Gespräch mit Axel Milberg
Menschelt Borowski? Wie uncool, ja!
Spätestens für denjenigen, der selbst Kinder hat, bricht beim Thema Internet irgendwann der unvermeidliche Generationengraben auf: Was den Jungen selbstverständliches Spielzeug und Zukunftsverheißung ist, lässt die Eltern ahnungslos, ratlos und sorgenvoll zurück. Kennen Sie diesen Konflikt, und wieviel Internet bestimmt Ihr eigenes Leben?
Der Graben ist auch bei uns da, wobei meine Frau viel mehr und anderes macht als ich im Internet. Sie kauft ein, hört Musik per Streaming und bezahlt online. Ich nicht. Aber ich buche, buche um, recherchiere, maile usw. Mein übermütiger Sohn August sagt auch nicht Papa, sondern Paypal zu mir.
Was macht Ihnen grundsätzlich Angst am Internet, was stimmt Sie positiv?
Angst? Doch ja, aggressive User sind enthemmt in der Anonymität, es finden sich pöbelnde Frusties, die sich dann auch auf der Straße zusammenrotten und eines Tages die Herrschaft übernehmen und die Demokratie war Geschichte. Der Begriff der Echokammer ist sehr anschaulich und erklärt als Phänomen auch, warum wir kultiviertes Streiten verlernen und das geduldige Zuhören und das neugierige Lernen.
War Ihnen das "dunkle Netz" bekannt?
Ich wusste einiges darüber, aber die positiven Seiten kannte ich nicht. Auch was Bitcoins sind, nein, ich hatte keine relevanten Informationen.
Sind Internet und "Darknet" nach Ihrer Einschätzung Ursache oder nur Bühne für das Übel, das über die Welt gekommen ist?
Nur die Bühne, aber eine schlecht beleuchtete Bühne mit großem Backstagebereich.
Bei "Feuchtgebiete" haben Sie erstmals mit dem Regisseur David Wnendt zusammengearbeitet und ihn danach zur Regie beim Kieler "Tatort" ermuntert. Was haben Sie sich von ihm, einem Krimi-Novizen, versprochen?
Das, was wir alle auch bekommen haben. Einen spektakulären Film, den ich immer noch nicht ganz checke. Außerdem habe nicht ich allein ihn für den Kieler "Tatort" gewinnen können. Neben dem NDR hat auch Johannes Pollmann von Studio Hamburg entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen.
Was hat Sie am Stoff überzeugt?
Darf ich ehrlich sein? Davids Umgang – mit welchem Thema auch immer.
Gefallen Ihnen die ungewöhnlichen Farben des Films, wenn Borowski beispielsweise erstmals als Comicfigur in Erscheinung tritt?
Ich habe gedacht, aha, deswegen musste ich diese rote Jacke tragen. Die Farben sind fantastisch, Benedict Neuenfels ein Geschenk. Eben kein Kameramann, aber ein Bildgestalter. Ein Geschenk, Danke.
Wie hält es Borowski mit dem Internet und einem Fall, der einer Welt entstammt, die nicht die seine ist?
Am liebsten hört er zu und lernt. Wer weiß, wo Borowski sonst noch unterwegs ist, im Netz und in der analogen Welt.
Erachtet Borowski das scharfe Schwert von Politik und Gesetzgebung für nötig, damit solche modernen Auftragskiller wie Hagen Melzer erst gar nicht aus dem "Darknet" hervorgekrochen kommen?
Keine Ahnung. Die Gesetzgebung hoppelt den innovativen Verbrechen hinterher. Immer fehlt Geld und Manpower.
Nimmt man manch frühere Begegnungen Borowskis mit dem Bösen zum Maßstab, kommt der Kommissar diesmal körperlich und seelisch weitgehend intakt davon. Was sorgt für seine gewisse Immunität?
Kollegin Brandt. Sie rennt, täuscht einen Epilepsie-Anfall vor, nimmt den einen fest, tötet den anderen Täter. Selbstverteidigung. Bekommt einen Kaugummi, schläft ein …
Wie lang werden Ermittler menschelnden Zuschnitts wie Borowski noch dem Sturm digitaler Kreaturen Paroli bieten können? Immerhin sitzt schon eine mitten in seinem Auto und lässt ihn das Showdown mit dem Bösewicht verpassen …
Menschelt Borowski? Wie uncool, ja. Ich glaube ganz entschieden, wir sehen seine Irrtümer, Fehleinschätzungen, seine Ratlosigkeit. Das finde ich enorm modern, dass die Drehbücher dem Zuschauer das zumuten. Dabei ist doch eigentlich Effizienz das Wichtigste. Ich hoffe, dass dieser eigenwillige und gescheite Mann uns noch lange überraschen wird!
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