Harald Krassnitzer im Interview

Nicole Beutler (Irene Stadler), Harald Krassnitzer (Moritz Eisner).
Nicole Beutler, Harald Krassnitzer. | Bild: ORF / Petro Domenigg

Harald Krassnitzer über den Filmriss seiner Figur, das Fliegen mit seiner Partnerin und sein 25-jähriges Jubiläum als Kommissar Moritz Eisner.

Kommissar Moritz Eisner feiert zu Beginn des Films seinen 60. Geburtstag. Löst das Alter eine kleine Lebenskrise aus?

Im Gegenteil, es ist eine ausgelassene Feier. Alle sind da, man tanzt, es ist frei. Aber er spürt mit zunehmendem Abend, dass ihn irgendetwas beeinträchtigt. Er vermutet, es ist der Alkohol, was er auch kundtut: „Ich schaffe es gar nicht mehr, so zu trinken wie früher.“ Als er dann mit Bibi so halbumschlungen auf der Coach liegt und denkt, es könnte noch lustig werden, da sackt er plötzlich weg. Erst später finden wir heraus, dass er K.o.-Tropfen anheimgefallen ist. Aber eine Lebenskrise? Es ist doch schön, dass weder Moritz noch Bibi der klischeehaften Vorstellung des Älterwerdens anhängen und ins Jammern darüber verfallen, was ihnen heute alles schwerer fällt als noch vor Jahren. Wenn sie sich gegen das Altern aufbäumen, dann auf eine humorvolle Art, denn eigentlich finden beide es gut so, wie es ist. Als Moritz in der Sofaszene in sich zusammensinkt, da lässt er gerade die Luft aus einem quietschenden Luftballon. Solche liebevoll erzählten Kleinigkeiten machen uns viel Freude: Sie bringen uns die Figuren nahe und stellen sie nicht ins Heldenhafte.

Wird er in diesem „Tatort“ auf einen Horrortrip geschickt?

Am Tag danach wacht er mit schwerem Kopf auf, ohne Erinnerung an die letzte Nacht, und wird mit einer Reihe von Fakten konfrontiert, die er nicht wegwischen kann. An einem Tatort finden sich seine DNA-Spuren, eine Überwachungskamera hat einen Mann eingefangen, der so aussieht wie er, und in seinem Müll wird eine Waffe sichergestellt, mit der ein Mann erschossen wurde. Er weiß nicht mehr, was richtig und nicht richtig ist, er kennt sich nicht mehr aus und zweifelt mehr und mehr an sich selber. Sollte er in einem Rausch, der so anders war als die Räusche davor, einen Mord begangen haben? In einer solchen Situation war er noch nie. Er landet unter Mordverdacht im Gefängnis und ist darauf angewiesen, dass es da draußen Leute gibt, auf die er sich verlassen kann. Es ist ein „Tatort“, der die Freundschaft der Kommissare stark fordert.

Im Gefängnis überkommt ihn Panik. Wie haben Sie diese Szenen gespielt?

Im Fernsehen macht ein Inhaftierter üblicherweise den Wilden, sobald sich die Zellentür hinter ihm schließt. Er schreit, tobt herum und zerlegt seine Zelle. Wir wollten dagegen erzählen, was man noch nicht so kennt, dass da jemand von einem Moment auf den anderen seine Gefasstheit verliert. Moritz Eisner bricht komplett ein, sein Körper entgleitet ihm, sein Geist legt ihn lahm, er hat nichts mehr unter Kontrolle und spricht wieder und wieder diesen Satz vor sich hin: „Das gibt es doch nicht, das kann doch nicht wahr sein!“ Es überkommt ihn die doppelte und dreifache Panik. In die Zelle passten mit mir nur der Kameramann und ein Tonassistent hinein. Die anderen waren am Gang untergebracht. Eisners Entgleiten in diesem Raum zu spielen, hat großen Spaß gemacht, auch wenn es merkwürdig klingt. Unsere Intention ist es ja immer, die Figuren so zu erzählen, dass sie einen berühren.

Wird von einem Fernsehkommissar nicht erwartet, dass er den starken Mann spielt?

Wir folgen diesem Ideal prinzipiell nicht. Einen Ermittler immer in seiner Stärke und Coolness abzubilden, das wäre uns zu flach. Deswegen sind wir gern bereit, ihn mit seinen Schwächen zu zeigen und auch mal scheitern zu lassen. Dadurch fühlt man sich als Zuschauer der Figur stärker verbunden, weil man mir ihr leidet und sie manchmal auch beschützen will. Zum anderen versteht man so die Freundschaft der Kommissare viel besser. Gerade in den Momenten der Schwäche und Unsicherheit können sie auch immer mal durchtanken und Kniffe entdecken, die ihre außergewöhnliche Partnerschaft weiterbringen.

Bibi Fellner leidet mit. Es geht hoch emotional zu. Pushen Sie sich beim Spielen gegenseitig?

Katharina Mückstein hat uns als Regisseurin den Spielraum gegeben, den wir brauchten, und sie hat uns animiert, diesen auch im vollen Umfang für uns zu nutzen. Das war die optimale Voraussetzung dafür, um genau auszuloten: Was stellt der Fall mit der Partnerschaft der Kommissare an? Es ist immer schön, im Zusammenspiel mit Adele herauszufinden, wie weit können wir gehen? Was steckt in einer Szene noch alles drin? Wenn man eine so großartige Partnerin an der Seite hat, dann bringt man sich gegenseitig zum Fliegen.

Vor genau 25 Jahre waren Sie zum ersten Mal als Kommissar Moritz Eisner zu sehen. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?

Ich habe nie auch nur annähernd versucht, aus dem, was ich gemacht habe, so etwas wie eine Reputation herauszulesen. Weil ich festgestellt habe, dass es wirklich erbärmliche Züge annehmen kann, wenn man lange an dem festhält, was hinter einem liegt. Es gibt ja nichts Vergänglicheres als dieses Medium. Wenn man es genau betrachtet, besteht meine Arbeit im Grunde darin, morgens um sechs aufzubrechen, Menschen zu treffen und mit der Dreharbeit zu beginnen. Klar tut es mir gut, wenn es eine Resonanz auslöst und gemocht wird, was ich da mache. Aber alles, was am letzten Sonntag war oder zwei Jahre zuvor, ist für mich nicht mehr relevant. Deswegen hänge ich so wenig wie möglich an irgendwelchen Anniversarien wie 50 Jahre Ösi-„Tatort“ und schiebe alle diesbezüglichen Sentimentalitäten ganz weit weg von mir. Ich kann Ihnen auch sagen, dass ich selbst meinen Geburtstag nicht begehe. Weil ich nicht verstehe, was ich da zu feiern hätte, und weil es mich in tiefe Verlegenheit bringen würde, stolze Rückschau zu halten. Dafür lebe ich zu sehr im Jetzt. Mich interessiert viel mehr, was ich heute mit Kommissar Moritz Eisner assoziiere, woraus dann gegebenenfalls unsere nächste Geschichte gefüttert wird.

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