Harald Krassnitzer im Interview
Harald Krassnitzer über rappende Kommissare, aufgeblasene Muskelkasperl in Sportwagen und die Protestmusik seiner Generation.
Nach den „Swinging Cops“ aus Hamburg, Manfred Krug und Charles Brauer, bietet der ORF jetzt zwei rappende „Tatort“-Kommissare auf. Sind Sie eine späte musikalische Entdeckung?
Ich bin auf diesem Feld nicht sonderlich begabt. Dass wir Kommissare rappen, hat die Geschichte von uns verlangt. Bei der Szene handelt es sich um den humorvollen Einschub eines Alptraums, den Bibi Fellner da ereilt. Sie träumt davon, wie sich die Polizei mit einer Gruppe Hip-Hoppern auf offener Straße ein „Beef“ liefert, wie solche Auseinandersetzungen in der Szene genannt werden. Am Ende fällt ein Schuss, der sie aus dem Schlaf reißt. Bibi ist vom Hip-Hop dermaßen angesteckt, dass die Beats und Moves sie bis in den Traum verfolgen. Anders als die Hamburger Kollegen haben wir aber nicht die Absicht, die Musik auf CD zu pressen oder zu streamen. Sie gehört nicht fest zu uns.
Wo haben Sie gelernt, so zu rappen?
Der Musiker Yugo hat es uns soweit beibringen können, dass es nicht allzu peinlich wirkt. Er hat uns als Erstes einen Song aufgezeichnet, den wir Tag und Nacht gehört haben, solange bis wir ihn draufhatten. Wir haben dann versucht, auch seine Moves so gut wie möglich zu imitieren. Weil es eine Traumsequenz ist, musste die Einlage ja nicht ganz perfekt aussehen. Die Zuschauer sollen nicht denken, oh Schreck, was ist denn jetzt in die beiden gefahren?
Wie hat die Straße reagiert, als Sie die Straßen-Rap-Szene aufgenommen haben?
Der Dreh war wirklich aufregend. Wir haben den Fake auf einer Brücke in einem sozial heterogenen Viertel aufgezeichnet. Als die Musik einsetzte, war schlagartig das halbe Quartier um uns herum. Die Kids, teils 15 oder 16, waren richtig fiebrig, weil wir natürlich in ihren Raum eingedrungen sind. Erst kamen die Sprüche, hey, das können wir besser, dann bewegten sie sich zu der Musik und tanzten mit. Als unsere Darsteller mit ein paar falschen Geldscheinen um sich warfen und mit lila Pseudo- Drogencocktails aus Hustensaft und Aufputschmittel hantierten, bekamen sie leuchtende Augen. Das fand ich sehr bezeichnend: Im Grunde haben wir auf der Brücke aufgeführt, wovon sie alle träumen.
Schnell reich und berühmt zu werden?
Was wir zeigen, ist der Traum der Straße. Es gibt einen Hip-Hop-Star, der im Netz postet, dass er am Nachmittag mit seinem Sportwagen in der Innenstadt von Wien unterwegs sein wird. Dann sind die Fans total aufgeregt und stellen sich vor, wie sie selber in so einem teuren Auto posen und die Bilder davon in die Welt senden. Aber dieser Traum geht nur für ganz wenige in Erfüllung, die sich damit dumm und dämlich verdienen, weil sie alle Plattformen im Internet nutzen, um sich bestmöglich zu vermarkten. Ich sehe darin wieder nur eine Form der Ausbeutung von Jugendlichen, die in den Banlieues leben und vom Aufstieg träumen, ohne groß etwas dafür zu tun, und sich am Ende als Fahrradkuriere durchschlagen.
Im „Tatort“ erweist sich der „Beef“ zwischen zwei verfeindeten Musikern als „abgemachte Sache“ und Marketingtrick. Was denkt Moritz Eisner über diese Subkultur: alles Lüge?
Im Zentrum unserer Geschichte steht ein Musiker, der in seinen Songs davon erzählt, wie er es ganz allein aus prekären Verhältnissen nach oben geschafft hat. Aber im wirklichen Leben verdrängt er alles, was im Mittelpunkt seiner Musik steht: nämlich seine Story, seine Herkunft, real life, real shit, wie es immer heißt. Plötzlich wird es zur Belastung, als er erfährt, dass seine Mutter, die ihn managt, früher als Prostituierte gearbeitet hat. Er kann die Vorstellung nicht ertragen, was ihn klein und erbärmlich macht. Auch sein Gegenspieler, der Gangster-Rapper Akman 47, ist nicht mehr so hart, wie er sich gibt, als seine Frau ein Kind bekommt. Es sind diese Bruchlinien zu den eigenen Schicksalen, die ich spannend finde. Da kriegen die protzenden Straßen-Rapper auf einmal eine ganz dünne Hose. Unser Film verlässt sich nicht einfach auf den Groove der Musik, sondern er blickt hinter die Kulissen und bringt einen anderen Klang hervor: den Sound des Lebens und der Realität. Da wird er fein und berührt einen.
Sehr deutlich lässt sich Moritz Eisner über den Gangster-Rap aus. „Aufgeblasene Muskelkasperl, sexistische Texte, teure Autos. Komplett aus der Zeit gefallen.“ Wirft der „Tatort“ einen kritischen Blick auf diese Szene?
Es wird klar deutlich, dass der Kommissar mit dem Gangster-Rap in seiner hedonistischen Variante nichts anfangen kann. Weil es nur ums schnelle Geld geht, darum, die Nummer eins zu werden, was Eisner als kleingeistig und spießig empfindet. Ich habe mit Yugo lange über diese Form des Rap gesprochen und ihn gefragt: Warum bedienen sich Gangster-Rapper eines Weltbildes, in dem Frauen Sexobjekte sind? Warum propagieren sie einen Hedonismus, der ihre Anhänger tagtäglich fertigmacht und vielleicht mitverantwortlich dafür ist, dass ein Großteil der Kids nicht aus dem Ghetto herauskommt. Aber Eisner ist auch Fan. Er zeigt sich offen für den Rap in seiner ursprünglichen rebellischen Form, für Eminem und viele andere. Junge Musiker, die in dieser Tradition stehen, erzählen von ihrer Migration und bringen in ihren Songs das ganze Elend einer nicht gelungenen Integration zum Ausdruck. Für diesen Teil der Kultur kann ich mich auch persönlich begeistern.
Welche Protestmusik haben Sie in Ihrer Jugend gehört?
Wie so viele meiner Generation hörte ich zunächst die amerikanischen Songwriter Bob Dylan und Leonard Cohen. Stark fand ich auch die Platten der deutschen Liedermacher, vor allem von Konstantin Wecker und Hannes Wader. Dann begann meine Ton-Steine-Scherben-Phase, in der es noch darum ging, mit der Musik die großen Ideen rüberzubringen. Zuletzt konnte ich mich für den Punk als dem letzten Abgesang begeistern. Ehrlich. Ich war zwar selber nie ein Punker, aber mich hat die Szene immer fasziniert, weil sie konsequent war und viel Ironie hatte.
Kommentare