Adele Neuhauser im Interview
Adele Neuhauser über Ihre Rap-Performance im „Tatort“, den grauseligen Frauenhass im Gangster-Rap und Ihre frühe Hinwendung zum Jazz.
So musikalisch hat man Sie im „Tatort“ noch nie gesehen wie in diesem Fall. Sie performen einen Rap im Duett mit Harald Krassnitzer. Wie kam es zu der Einlage?
Unser Krimi spielt im Wiener Hip-Hop-Milieu, und da kam irgendwann die Idee auf, dass die Kommissare sich im Rap versuchen. Die Filmszene, in der wir rappen, ist eine Traumsequenz mit einer ganz eigenen ironischen Note. Es wäre ja absurd, wenn wir uns auf diesem Feld ernsthaft messen wollten. Immerhin wurden wir professionell unterstützt: Der Musiker Aleksandar Simonovski aka Yugo, der im Film mitspielt, hat den Song komponiert und uns auch in die Dance-Moves eingeführt. Ich glaube, man versteht erst, was Rap wirklich ist, wenn man es einmal ausprobiert hat.
Wie blicken die erfahrenen Kommissare auf die junge Hip-Hop-Szene?
Am Anfang sind sie schon befremdet. Sie haben ja keine Ahnung von nichts. Ihnen geht es um den Mordfall. Welche Dimensionen die Musik hat, wie viel Herzblut in den Texten steckt und was da an Kritik und Wut transportiert wird, begreifen sie erst später. Zum Ende hin sind die Kommissare ziemlich angefixt von der Musik und schauen mit Sympathie auf die Szene. Es gefällt mir gut an den beiden, dass sie sich nicht vollends abschotten, weil sie meinen, das ist alles oberflächlicher Quatsch. Im Gegenteil, sie lassen sich voll darauf ein und werden sogar zu Fans.
Im Film verherrlicht ein Gangster-Rapper Gewalt und Sexismus. In seinen Songs beleidigt er Frauen als „Huren“ und „Schlampen“. Ist Bibi Fellner nicht entsetzt?
Bibi findet solche Songtexte grauselig und erschütternd. Sie kann diese Musik kaum ertragen, ebenso wie ich persönlich. Für mich stellt sich die Frage: Ist dieser frauenverachtende Rap noch von der Kunstfreiheit gedeckt? Wie weit hat die Kunst die Freiheit, Gewalt und Frauenhass zu propagieren? Wir wissen doch alle, welche Macht die Musik und das Fernsehen haben. Umso wichtiger ist es, dass wir im „Tatort“ eine klare Haltung einnehmen. Man darf es nicht kleinreden. Es ist nicht in Ordnung. Es ist gefährlich und macht nur noch mehr Fronten auf. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich manche Frauen in Videoclips präsentieren. Ich habe nichts gegen freizügige Kleidung, nicht im Geringsten, aber welche Geschichte erzähle ich denn damit, wenn Frauen sich als Sexobjekte geben. Da denke ich, Menschenskinder, wir haben doch jahrzehntelang für eine andere Wahrnehmung gekämpft. Es tut mir manchmal in der Seele weh.
Geht der „Tatort“ hier an die Grenze dessen, was in der Primetime als noch erträglich gilt?
Thematisch sind wir schon häufig weit gegangen. Insofern ist es nichts Neues für uns. Aber es ist eine andere Welt, die wir so authentisch wie möglich beschreiben wollen. Das kann nur gelingen, wenn man die Story nicht vorher durch den Weichspüler dreht. Unser Film folgt da einfach den Tatsachen. Ob es ein Wagnis gewesen ist, in diese Szene einzutauchen? Das empfinde ich nicht so. Wir konnten uns auf die Regisseurin Mirjam Unger verlassen, die sich als frühere Musikjournalistin sehr gut in der Szene auskennt und eine große Affinität zum Hip-Hop hat. Durch sie fühlten wir uns safe.
Jede Generation hat ihre Protestmusik. Was haben Sie gehört?
Ehrlich gesagt war ich nie so eine Protestlerin. Natürlich habe ich die Kings, die Stones und die Beatles gehört. Und ich mochte auch Bob Marley. Reggae war für mich aber Protest in einem liebevollen Sinne, es ging um Zusammenfinden, um Verständnis und Harmonie. Dann habe ich mich schon früh für den Jazz begeistert. Er ist künstlerisch herausfordernd, aber er lässt dich auch träumen. Du hebst auf eine sehr angenehme Art und Weise ab und ziehst dich aus der Realität heraus.
Sie stehen selbst auf der Bühne und geben Konzerte mit dem Trio Edi Nulz, dem ihr Sohn angehört. Die Band spielt Kammerpunkjazz. Was ist das?
Es ist eine sehr moderne Mischung aus Jazz und progressivem Rock. Ich habe es auch erst erfahren, als ich die drei Jungs kennenlernte und mich auf einen Ausflug in diese neue Welt eingelassen habe. Auf der Bühne bin ich im klassischen Sinne nicht als Musikerin zu sehen. Ich lese vor, im Zusammenspiel mit der Musik.
Die Kommissare werden in einem Wiener Hip-Hop-Klub mit Getränkebechern beworfen. Ist die Polizei das Feindbild der Szene?
Bibi Fellner und Moritz Eisner verhaften einen Verdächtigen im Klub. Dieser Ort gehört den Jugendlichen. Er ist eine polizeifreie Zone, in der sie sich geben können, wie sie es ihnen gefällt. In deren Welt einzubrechen ist eine Übergriffigkeit, die sie nicht zulassen. Das kann ich verstehen.
Hätten Sie sich mit 18 auch so verhalten?
Ich war nie gewalttätig, sondern eher feige, wenn ich das so sagen darf. Und ich habe es immer vermieden, in solche Situationen zu geraten, weil ich lautstarke und gewalttätige Auseinandersetzungen ablehne. Sie machen mir Angst. Auch in der Bibi-Fellner-Rolle kostet es mich jedes Mal Überwindung, Gewalt auszuüben. Ich muss mich da immer wieder mobilisieren. Ich denke, Klarheit und Autorität zu zeigen, muss erst einmal genügen. Falls es nicht reicht, Pech, dann ist es legitim, zu härteren Mitteln zu greifen. Es muss für Bibi aber einen Grund dafür geben. Wir erreichen mit dem „Tatort“ viele Menschen. Unbedacht Gewalt zu zeigen, fände ich sträflich und falsch.
Kommentare