Regisseurin Mirjam Unger im Interview
Regisseurin Mirjam Unger über ihren Hip-Hop-„Tatort“, über Rap-Musiker vor der Kamera und Adele Neuhausers „Beef“ mit Yugo
Sie wollen in Ihrem „Tatort“ die Wiener Hip-Hop-Szene so zeigen, wie sie wirklich ist. Wie haben Sie diese Authentizität geschaffen?
Sie wollen in Ihrem „Tatort“ die Wiener Hip-Hop-Szene so zeigen, wie sie wirklich ist. Wie haben Sie diese Authentizität geschaffen? Als Erstes haben wir in der Besetzung auf Crossover gesetzt. Die österreichischen Indie-Musikstars Keke und Jugo Ürdens, auch Yugo genannt, sowie der deutsche Rapper Frayo 47 geben ihr Schauspieldebüt und verleihen unserem Hip-Hop-„Tatort“ eine außergewöhnliche Echtheit. Außerdem haben Yugo und Frayo 47 die meisten der Rap-Texte für uns geschrieben. Der Score und die Tracks stammen von den Wiener Musikproduzenten Lamettas, gemeinsam haben wir jeder Figur einen Sound gegeben. Dann sind auch die Schauplätze – vom Club über das Tonstudio bis zum großen Label – original. Unser wichtigster Drehort ist der Musikclub Flex im 1. Bezirk, der aus den Neunzigern kommt, aber von der Szene nach wie vor bespielt wird. Wir haben sogar im Büro vom Flex gedreht, das so klein ist, dass 90 Prozent der Filmschaffenden wahrscheinlich abgewunken hätten. Jede Musikerin und jeder Musiker, die hier in den vergangenen 30 Jahren aufgetreten sind, haben ihre Spuren in diesem Club hinterlassen. Das spürt man, das riecht man. Zu guter Letzt habe ich viele Jahre als Musikjournalistin gearbeitet und 1995 den Indie-Jugendsender FM4 mitgegründet. Der Schwerpunkt des Senders lag zu einem guten Teil auf österreichischer Musik. Dadurch wurden viele Bands, Singer- Songwriter, Hip-Hopper und auch Autorinnen wie Stefanie Sargnagel gefördert. Ich darf wohl sagen: In der Szene kenne ich mich gut aus.
Haben Ihre fiktiven Rapper im „Tatort“ echte Vorbilder?
Wir haben jede Figur an wahre Personen aus der Szene angelehnt. Kein Musikgenre hat weltweit so viel Gewicht, seine Protagonistinnen und Protagonisten sind Stars mit den unterschiedlichsten Stilen, Attitüden und Haltungen. In unserem Film steht Ted Candy für den modernen Hip-Hop als Mainstream-Pop und Social-Media-Phänomen. Es gibt mehrere Künstler, die die Figur inspiriert haben. Dessen Gegenspieler Akman 47 ist eher ein Veteran des harten Gangster-Raps, der besonders um 2010 in Deutschland erfolgreich war. Bashir, als Dritter im Bunde, gehört zu der jungen politischen Generation, die um die alte Authentizität kämpft und sich auf die Realness von Hip-Hop beruft.
Haben Sie den Musikern beigebracht, wie man schauspielert?
Bühnenperformance und Schauspiel sind zwei verschiedene paar Schuhe. Alle Musiker hatten den Wunsch mitzuspielen, aber sie waren halt Filmlaien. Also haben wir ihnen in Crashkursen vermittelt, was es bedeutet, vor der Kamera zu stehen, warum es wichtig ist, Anschlüsse zu halten. Bei der Figur des Straßen- Rappers Akman 47 sind wir den umgekehrten Weg gegangen. Hier hat Yugo den Schauspieler Murat Seven gecoacht und in einen überzeugenden Rapper verwandelt. Alle haben die Herausforderung toll gemeistert. Wir haben uns in beide Richtungen ausgetauscht, um zwei verschiedene Kunstformen, Hip-Hop und Krimi, in einem „Tatort“ zu verbinden.
Wie haben Sie den Rap mit den Kommissaren inszeniert?
In der Geschichte träumt Bibi Fellner von einem „Beef“: Auf einer breiten Brücke stehen sich Ted Candy mit seiner Crew und die Polizei mit den Kommissaren gegenüber, wie Räuber und Gendarm. Adele Neuhauser trägt das Kostüm von Ted Candy und liefert sich ein Gesangsduell mit dem Hip-Hop-Star. Die Traumsequenz ist ein wenig an das Video „Sabotage“ der Beasty Boys angelehnt, für das die Musiker in Polizeiuniformen geschlüpft sind. Es war ein magischer Dreh im öffentlichen Raum, bei dem ein bisschen Musikvideostimmung aufkam. Für mich war es vor allem wichtig, dass die Rap-Einlage so unpeinlich wie möglich rüberkommt. Nicht dass sich alle extrem cool finden, aber die jungen Zuschauer ansonsten sagen: Bitte, lasst es bleiben! Es ist ein skurriler und witziger Auftritt, den man nicht erwartet. So hat man Adele und Harald jedenfalls noch nie gesehen.
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