Interview mit Christian Jeltsch und Olaf Kramer

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Judith Bergener (Victoria Fleer) ist erschüttert. (im Hintergrund: Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel))
Judith Bergener ist erschüttert. | Bild: Radio Bremen / Michael Ihle

Wie sind Sie auf die Ideen für den Tatort "Zurück ins Licht" gekommen? Einerseits geht es um die extreme Figur der Maria Voss, andererseits um kriminelle Aktivitäten in der Arzneimittelwirtschaft.

Olaf Kraemer: Wie kommt es, dass sich so viele Menschen in unserer Gesellschaft über den beruflichen Erfolg definieren? Diese Frage stand am Anfang unserer Überlegungen zu unserem Tatort. Um Antworten zu finden, war es nur konsequent, einen solchen Karrieremenschen mit einem Schicksalsschlag zu konfrontieren, der ihm alle Möglichkeiten zu dieser Form der Selbstdefinition nimmt.

Christian Jeltsch: Es war uns von Anfang an klar, dass dieser Tatort seine Spannung nicht über die polizeilichen Ermittlungen gewinnt, sondern über das Psychogramm dieses Menschen; in diesem Fall einer Frau: Maria Voss. Olaf Kraemer: Um Marias Ehrgeiz und gnadenlosen Willen zum Erfolg zu zeigen, fanden wir in dem System der Pharma-Vertreter ein Umfeld, das sich nach unseren Recherchen als perfekt für unsere Hauptfigur herausstellte.

Zusätzlich spielt das Beziehungsleben von Hauptkommissar Stedefreund eine wichtige Rolle. Wie haben Sie diesen Handlungsstrang eingebaut?

Christian Jeltsch: Die Gespräche mit der Redaktion ergaben, dass es an der Zeit war, Stedefreund ernsthafter mit der Thematik ‚Familiengründung‘ zu beschäftigen. Seine Beziehung zu Selb bot da das ideale Spielfeld.

Olaf Kraemer: Gerade auch weil Selb so gegensätzlich zu der Figur von Maria Voss ist. Stedefreund zwischen diese beiden Frauen zu stellen und zu zwingen, Stellung zu beziehen, war eine schöne Herausforderung.

Herr Kraemer, schaut man auf Ihre Veröffentlichungen, so fällt auf, dass Sie sich schon häufiger mit Frauenfiguren auseinandergesetzt haben. Aus Ihrer Feder stammt unter anderem eine Biografie über Uschi Obermaier, 2016 hatten Sie ihr Debüt als Regisseur mit dem Thriller "Fünf Frauen". Warum auch diesmal eine Frau?

Tja, gute Frage. Frauen erweisen sich einfach immer wieder als die psychologisch interessanteren Figuren. In diesem Fall hat mich die Frage fasziniert, was passiert, wenn eine Frau Empathie und Einfühlungsvermögen nur noch dazu benutzt, in einer Männerwelt nach oben zu gelangen, und auch sich selbst gegenüber keine Gnade mehr walten lässt. Maria Voss dienen Liebe, Sexualität und Familie vor allem als Mittel zur Erfüllung eines unbeugsamen Willens. So wird ihre Realität immer mehr zu einer Tunnelvision, an dessen Ende natürlich ein Licht wartet – oder ein heranfahrender Zug.

Herr Jeltsch, Sie sind bekannt für ihre politischen und gesellschaftskritischen Krimis. Ging es Ihnen beim Schreiben auch um eine Kritik an unserer Leistungsgesellschaft?

Es ging mir nicht um eine Kritik an der Leistungsgesellschaft im Gesamten. Ich denke, es gehört zum Menschen, etwas ‚leisten‘ zu wollen. Die Frage ist nur zu welchem Preis. In "Zurück ins Licht" geht es um das Porträt einer Frau, die sich freiwillig und bis zur Selbstaufgabe diesem System ausgeliefert hat. Die Ihren Wert nur aus der Anerkennung ihrer beruflichen Erfolge ziehen kann. Der Preis, den sie dafür zu zahlen bereit ist, ist eindeutig zu hoch. Insofern zielt die Kritik auf jeden Einzelnen, der sich auf- und diesem System ergibt.

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