Mo., 09.04.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Südafrika: Die Landfrage und die Ängste der weißen Farmer
Rinder und Schafe züchtet Bernadette Hall auf ihrer Farm in der Nähe Johannesburgs. All das hat sie mit ihrem Ehemann aufgebaut. Heute muss sie die Farm ohne ihn führen. Denn direkt vor dem Haus ermordeten ihn fünf dunkelhäutige Angreifer als er gerade die Kühe molk. "Ich sah, wie David auf dem Boden kniete, vor ihm vier der Männer", erzählt Bernadette Hall. "Und dann schossen sie ihm durch die Brust."
David starb für umgerechnet einen Euro - mehr Geld war nicht im Haus. Kein Einzelfall – auch Bernadettes Freundin Nicci Simpson wurde überfallen. 20 Kilometer entfernt betreibt auch sie eine Farm. Auch ihre Angreifer waren schwarz und gingen besonders brutal vor: Als sie den Safe-Schlüssel nicht herausgeben wollte, durchlöcherten die Angreifer ihre Füße mit einer Bohrmaschine. Die Vehemenz der Attacke zeigt für Nicci Simpson, dass es um mehr ging als nur um Geld: "Natürlich kommen sie erstmal, um Dich zu überfallen. Aber am Ende ist der Plan dich auch zu töten", ist sie überzeugt. "Es gibt hier in Südafrika genug politische Extremisten, die sagen: 'Tötet die Weißen, macht mit ihnen was ihr wollt, schneidet ihnen den Hals ab, verbrennt sie'. Ich glaube, dass diese Überfälle auch eine politische Ursache haben."
Farmer gehen auf Nachtpatrouille
Auch wenn es für politische Motive bisher keine Belege gibt – vielerorts tun sich nun die Farmer der Nachbarschaft zusammen, legen kugelsichere Westen an und gehen auf Nachtpatrouille. Nicht alle hier sehen sich schon im Kampf Schwarz gegen Weiß – manche hoffen schlicht auf mehr Sicherheit wenn sie regelmäßig Präsenz zeigen. "Wir wurden wegen zwei Eindringlingen auf eine Farm gerufen", berichtet Danie Toerien. "Wir haben das Gelände hier überprüft, konnten sie aber nicht mehr finden."
Was alle hier eint, ist die Sorge, dass sie in dem Land, das sie auch als ihre Heimat betrachten, nicht mehr willkommen sein könnten. Die Nachbarschafts-Patrouillen werden von Afriforum organisiert – einer Vereinigung, die sich explizit um die weiße Bevölkerung und deren Probleme kümmert. "Wir können nicht einfach weggehen", sagt deren Sprecher Ian Cameron. "Alles was wir haben, alles was wir kennen, ist hier. Uns bleibt nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden." Ganze Straßenzüge haben weiße Farmer vor ein paar Monaten blockiert. Die Feindseligkeiten gegen sie hätten dramatisch zugenommen, sagen sie.
"Dieses Land ist noch immer in der Hand der Kolonialherren"
Doch sind weiße Farmer tatsächlich in größerer Gefahr als andere Menschen in Südafrika? Einem Land, in dem die Kriminalitätsrate generell sehr hoch ist? Darüber wird in Südafrika heftig debattiert. "Wenn Menschen zuhause überfallen werden, dann erzeugt das ein emotionales Trauma und es geht irgendwann nicht mehr darum, was die Statistiken sagen“, sagt Kriminologe Gareth Newham vom Institute for Security Studies. "Das ist zwar verständlich, aber aus den Daten, die uns zur Verfügung stehen, können wir nicht ablesen, dass Farmer stärker gefährdet sind als andere Südafrikaner."
Fest steht: Politische Extremisten nutzen tatsächlich das Feindbild des weißen Farmers – die linksextreme Oppositionspartei Economic Freedomfighters (EFF) etwa. Dass das meiste private Farmland in Suedafrika nach wie vor im Besitz der weissen Minderheit ist, macht ihnen die Argumentation leicht. "Dieses Land ist noch immer in der Hand der Kolonialherren, in der Hand der Weißen“, sagt Parteichef Julius Malema. Wir müssen sie enteignen ohne sie dafür zu entschädigen!" Ein großer Teil der schwarzen Bevoelkerung lebt in Armenvierteln, eine Landreform hat daran bisher nicht viel geändert. Und so erwägt mittlerweile selbst die Regierung Enteignungen ohne Entschädigung.
"Meine soziale Verantwortung, zu helfen"
Paul Doubelle musste seinen Hof verlassen – und doch ist diese Farm ein weiteres Beispiel dafür, dass man den Landkonflikt in Südafrika nicht nur hitzig debattiert. Heute ist das Haus leer, das einst Paul Doubelles Zuhause war. Enteignungen sind schon heute möglich – wenn auch so wie in Doubelles Fall nur gegen Entschädigung. Er sei deshalb nicht verbittert, sagt er, nur wehmütig. Seine Felder bewirtschaften heute neue Besitzer, schwarze Farmer aus dem Nachbardorf. Doubelle schult sie in moderner Landwirtschaft – er hat in die Farm, die ihm einst gehörte, sogar Geld investiert - und bekommt im Gegenzug einen Teil des Profits. Das alles wäre nicht passiert, sagt Doubelle, wenn man ihn einfach verjagt hätte. "Es ist meine soziale Verantwortung, hier zu helfen. Und ich will, dass dieser Hof erfolgreich ist. Nicht so wie anderswo, wo enteignet wurde und danach alles zusammenbrach", sagt Doubelle.
"Multikulturelle Regenbogen-Nation möglich"
Auch Bernadette Hall glaubt, dass nur der Kampf gegen die Armut der schwarzen Bevölkerung wirklich hilft. Den Mördern ihres Mannes hat sie nie verziehen – doch einen Hass gegen Schwarze verspürt sie nicht: "Ich weiß, dass viele den Glauben an eine multikulturelle Regenbogen-Nation verloren haben. Ich aber bin überzeugt, dass sie möglich ist. Wir müssen uns nicht gegenseitig hassen.“ Bernadettes Haltung macht Mut in einem Land, in dem manche den Hass bewusst schüren, um politisch Profit zu schlagen.
Autor: Thomas Denzel, ARD-Studio Johannisburg
Stand: 02.08.2019 05:01 Uhr
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