SENDETERMIN So., 29.09.24 | 23:35 Uhr | Das Erste

Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch

Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch | Video verfügbar bis 29.09.2029 | Bild: DasErste.de

10) Axel Hacke: "Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten …"

Axel Hacke erklärt in diesem Buch, warum Seelenruhe, Ironie und heitere Gelassenheit die schärfsten Waffen sind im Kampf gegen populistische Erregungsprofiteure wie Putin, Trump oder die AfD. Gern mehr davon! Gesagt, getan, denn Axel Hacke steht mit "Aua!: Die Geschichte meines Körpers" auch auf Platz 9.

9) Axel Hacke: "Aua!: Die Geschichte meines Körpers"

Hackes autobiographisches Erzählen ist das Antidot für die Erwartungsinflation, die durch die Mode der Autofiktion ausgelöst wurde. Axel Hacke erzählt nicht von Abstürzen in den Alkohol, Drogen oder Depression, sondern von den Blessuren des Alltags. Und weil er das ohne Larmoyanz, aber mit einem Augenzwinkern macht, deshalb wurden seine Schnurren zu den Gute-Nacht-Geschichten einer ganzen Generation.

8) Reinhold Messner: "Gegenwind"

Längst ist Reinhold Messner viel mehr als ein schreibender Bergfex. Messner ist "larger than life" und siedelt zumindest mit einem Bein schon in jenem Bereich, in dem Buffalo Bill, der Seeteufel Graf Luckner oder die Flugpionierin Amelia Earhart zu Hause sind. Und das weiß keiner besser als Reinhold Messner selbst, etwa wenn er in seinem lesenswerten neuen Buch schreibt: "Mein Bergsteigen ist mehr Kunst als Sport: Die Linien meiner Wege, das Erzählen darüber, die Auseinandersetzung mit der Gefahr, das viele, das bleibt."

7) Wolfram Eilenberger: "Geister der Gegenwart"

Eilenberger packt in diesem Buch den Werkzeugkasten der Philosophie der Nachkriegszeit aus und fragt, welche Ideen von Theodor W. Adorno, Susan Sontag, Michel Foucault oder Paul K. Feyerabend, die er als Begründer einer neuen Aufklärung sieht, zur Orientierung in unserer Gegenwart taugen. Faszinierend und klug: ein Bildungserlebnis.

6) Peter Hahne" "Ist das Euer Ernst?!"

Ein dummes, albernes und intellektuell peinliches Buch – also alles wie gewohnt bei Peter Hahne.

5) Ilko-Sascha Kowalczuk: "Freiheitsschock"

"In 'Ostdeutschland' spielen sich all die Kontroversen und Auseinandersetzungen im Kleinen ab, die es im Großen in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt zu beobachten gibt", schreibt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Davon glaube ich kein Wort – es gibt viele Konflikte von der Abholzung des Regenwalds über den Nahostkonflikt bis hin zur Taiwan-Frage, von denen auch nicht das allerkleinste Fitzelchen in Ostdeutschland aufscheint. Und so sympathisch mir die Betonung der Freiheits-Ideale in Kowalczuks Buch sind, so ungelenk erscheint mir oft seine Sprache, die zu Sätzen führt wie: "Alexei Nawalny wurde von dem Putin-Regime totgemacht, weil sie in ihm zu Recht ein Symbol für Freiheit und Widerstand gegen die Diktatur sahen." Das Regime ist kein "sie", sondern ein "es", totmachen tun wir im Kindergarten und unklarer Stil ist immer auch eine Signatur unklaren Denkens. 

4) Benedict Wells: "Die Geschichten in uns"

In diesem Buch berühren sich Leben und Werk des Schriftstellers Benedict Wells auf faszinierend intime Weise: "Das Schreiben half mir, einen Teil meines Selbst ins Sichtbare zu holen, der zuvor im Verborgenen lag", so Benedict Wells. Er gibt Einblick in seiner Werkstatt, zitiert den amerikanischen Lyriker Robert Frost mit seiner bemerkenswerten Einsicht "No tears in the writer, no tears in the reader" und erklärt, warum sein Lebensthema als Schriftsteller die Einsamkeit ist. Näher als in diesem Buch kann man einem Schriftsteller nicht kommen.

3) Thilo Sarrazin: "Deutschland auf der schiefen Bahn"

"Demokratie braucht Meinungsfreiheit", schreibt Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch, "und Meinungsfreiheit braucht gelebte Pluralität auch für das Unerfreuliche und Abstoßende". Da bin ich ganz seiner Meinung. Nur will mir nicht einleuchten, wie man sich in solch bedrückenden Zeiten zum nützlichen Idioten der neofaschistischen Rechten in Deutschland machen und eine statistisch noch so sehr abgesicherte Handreichung für den Hass auf Migranten, die Angst vor Überfremdung und die Abstiegsängste panischer Kleinbürger liefern kann. Mir scheint, Thilo Sarrazin ist ein Nachfahre von Kleists Michael Kohlhaas und beharrt halsstarrig aufs Rechthaben, und wenn die Welt dabei in Trümmer fällt.

2) Yuval Noah Harari: "Nexus"

Der israelische Historiker schreibt in seinem anregenden neuen Buch eine eindringliche Warnung vor totalitären Netzwerken, die auf Wahnvorstellungen basierend. Dazu zählt er nicht nur organisierte Religionen, sondern auch den Nationalsozialismus und den Stalinismus sowie unsere Obsession von Anwendungen Künstlicher Intelligenz. Ein zeitgemäßes Plädoyer, in dem Harari Goethes Zauberlehrling gegen Googles Heilsversprechungen in Stellung bringt und zeigt, dass mehr Information nicht mehr Weisheit bedeutet.                  

1) Elke Heidenreich: "Altern"

Dieses als Manuskript vermutlich kaum mehr als 75 Seiten umfassende Büchlein besteht gut zur Hälfte aus Zitaten. Der Effekt ist wie ein Christstollen, in dem Unmengen von Zitronat und Orangeat über die fehlende Butter im Teig und ihren Ersatz durch Palmfett hinwegtäuschen sollen. Für mich ungenießbar.

Stand: 29.09.2024 17:20 Uhr

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