CHRISTIAN KOHLUND | THOMAS BORCHERT
Borchert hat nach langer Zeit erstmals wieder Interesse an einer Frau. Warum schlägt sein Herz bei der Fotografin Corinna Riemer schneller?
Ich glaube, der wahre Grund dafür ist – abgesehen davon, dass er sie sehr attraktiv findet –, dass sie offenbar ein Geheimnis in sich trägt. Er spürt auch ihre intensive Sensibilität, das macht ihn neugierig, und das findet er interessant. Er ist außerdem von ihren Fotoarbeiten fasziniert, die ja sehr sensible Fotografien von einsamen Menschen sind. Deswegen will er mehr über diese Frau erfahren.
„Was wäre der Mensch ohne Widersprüche?“: ein Zitat von Borchert. Welche Widersprüche sind in seiner Figur vereint?
Menschen, die fähig sind, sich zu verändern, die Einsicht haben in Fehler, die sie gemacht haben und dann nicht mehr begehen, sind für andere Menschen widersprüchlich. Borchert hat schon viele Widersprüche erlebt, auch bei sich selbst, und viele haben mit den Fehlern zu tun, die er selbst begangen hat. Gegensätze bzw. Polarität machen das Leben absolut faszinierend. Was wäre ein Mensch ohne Widersprüche? Todlangweilig …
Am Ende von „Borchert und das Geheimnis des Mandanten“ steht die große Frage im Raum: Können sich Menschen ändern? Glauben Sie persönlich daran?
Natürlich können sich Menschen ändern – sowohl ins Positive, was wir uns immer wünschen, als auch ins Negative. Auf den Film bezogen: Selbst ein negativer Charakter, ein Auftragskiller, kann sich ändern, wenn es die Umstände erlauben. Ich glaube fest daran.
Borchert will sich zur Ruhe setzen, reist in seine eigene Vergangenheit zurück und sucht sich ein Hobby: Mit welchem Borchert haben wir es in „Borchert und die dunklen Schatten“ zu tun?
Borchert hat ein gutes Auge. Durch das Hobby Fotografie – seine ganze Familie war der Fotografie zugetan – setzt er sich mit seiner Vergangenheit, mit seiner Kindheit und Jugend, auseinander. Er wollte über lange Zeit das Verhältnis zu seinen Eltern nicht aufarbeiten. Als er dann aber alte Fotos findet, auf denen sein Vater zu sehen ist, konfrontiert er sich selbst damit, was auch dazu führt, dass er das alte Auto seines Vaters aus der Garage holt. Ich selbst habe über viele Jahre Portraits meiner Kollegen am Set fotografiert und war der Einzige mit einer Kamera. Man sagte mir, ich träfe die Menschen genau. Seitdem das dann aber mit den Handykameras losging, habe ich nie wieder meine Kamera mitgebracht.
Borchert gräbt tiefer und tiefer und muss in schreckliche menschliche Abgründe blicken. Warum wühlt ihn der Fall der Jugendpsychologin Julia Egger so besonders auf?
Kindesmissbrauch ist Mord an einer Seele. Das wühlt Borchert in seinem tiefsten Inneren auf. Was geht in einem Menschen vor, der sein eigenes Kind missbraucht? Wie krank muss man sein? Es gibt Dinge, die können wir gar nicht ergründen, vielleicht sind sie deswegen so erschütternd und lassen einen nicht los. Man wird sehr oft keine Erklärung dafür finden. Selbst die Psychiatrie kommt ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiter
Wäre es Borchert manchmal lieber, ohne all diese Verbrechen zu leben – oder muss er um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen?
Er hat sich der Gerechtigkeit verschrieben und kommt auch nicht mehr davon los. Er sieht das jetzt als seine Lebensaufgabe. Er kann gar nicht mehr anders. Er hat zwar eine Ermittlerfunktion, aber er ist ja kein Polizist, sondern ein Anwalt, der der Polizei zuarbeitet. Erst durch seine Recherchen werden Fälle gelöst. Es geht darum, den Menschen hinter dem Verbrechen zu verteidigen und nicht das Verbrechen selbst, damit es ein gerechtes Urteil gibt. Genau darum geht es ihm auch. Es gab noch keinen Fall, in dem er jemanden verteidigen musste, der schuldig war. Solange er lebt, wird er seinen Kampf weiterführen, sobald er von Ungerechtigkeiten hört – das liegt in seiner DNA. Es geht ihm immer nur um die Gerechtigkeit. Das ist eine Besessenheit, mit der er nicht mehr aufhören kann.
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