Do., 31.08.17 | 02:40 Uhr
Das Erste
Verliebt, verführt, verkauft
Mehmet D. hat alles genau geplant. Der Zuhälter lebt in zwei verschiedenen Wohnungen, mit zwei verschiedenen Frauen. Keine weiß von der anderen, beide glauben, dass Mehmet D. sie liebt. "Sag ihr: Baby, wir bauen uns was auf zusammen. Die glauben das", prahlt er am Telefon. Und: "Weißte wie viel Geld da rausspringt, bei dem Scheiß?" Mehmet D. schickt beide Frauen auf den Strich und kassiert ihren kompletten Verdienst. Bis er verhaftet wird, hat er mindestens 260.000 Euro mit den Frauen verdient.
Mehmet D. ist ein Loverboy. Loverboys spielen ihren Opfern die große Liebe vor, bringen sie in eine emotionale Abhängigkeit, drängen sie mit psychischer und körperlicher Gewalt zur Prostitution. Nicht selten sind ihre Opfer noch minderjährig, zum Teil gerade erst in der Pubertät. Die ARD-Dokumentation "Verliebt, verführt, verkauft" fragt: Wie kann es sein, dass junge Frauen Opfer eines Loverboys werden?
Von der Liebe in die Prostitution
Nadja ist das Opfer eines Loverboys. Sie ist 16, als sie sich zum ersten Mal richtig verliebt. "Ich war damals sehr pummelig, eher unattraktiv. Er hat mir das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein und hat mir immer wieder Komplimente für mein Aussehen gemacht," sagt Nadja. Sie ist unendlich verliebt. Dann bittet ihr neuer Freund sie um einen "Gefallen". Er habe Schulden, werde bedroht, der einzige Weg, das Geld schnell zurückzuzahlen: Nadja soll für ihn anschaffen gehen. Erst mit Lügen, später mit Erpressung und Gewalt bringt er sie dazu, für ihn auf den Straßenstrich zu gehen.
Wer sind die Opfer?
Hilfsorganisationen warnen: Gerade Minderjährige sind unter den Loverboys begehrt, denn sie lassen sich leichter manipulieren. Außerdem gibt es Freier, die für Minderjährige viel Geld bezahlen. Dabei kommen die Opfer aus allen sozialen Schichten.
Hat sich ein Mädchen in einen Loverboy verliebt, können die Eltern meistens nur noch hilflos zusehen, wie ihnen ihr Kind entgleitet. Die Tochter von Dirk steht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung als sie ihren Loverboy kennenlernt. "Damals war sie so ein richtiges Papa-Kind und es war eigentlich alles prima", sagt Dirk. "Bis zu dem Zeitpunkt, wo der neue Freund ins Spiel kam." Innerhalb von wenigen Wochen distanziert sie sich immer mehr von ihrem Zuhause, verschwindet schließlich ganz. Über mehrere Monate weiß Dirk nicht, wo seine Tochter ist. Eine völlige Isolation vom sozialen Umfeld ist Teil der Loverboy-Methode.
Wer kann helfen?
Fast alle Frauenberatungsstellen in Deutschland kennen solche Geschichten. Seit Jahren versuchen sie den Opfern von Loverboys zu helfen und kämpfen mit großen Schwierigkeiten. Denn oft dauert es lange, bis die Betroffenen überhaupt verstehen, dass sie Opfer eines Loverboys sind. Viele schämen sich, haben Angst vor der Gewalt, die der Loverboy ihnen androht, und vertrauen sich deshalb niemanden an.
Auch Polizei und Justiz sind häufig hilflos. Kaum ein Opfer traut sich, gegen seinen Loverboy auszusagen. Einen Prozess gibt es nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Loverboy seine Opfer zur Prostitution gezwungen hat.
Viele Beratungsstellen setzen deshalb auf Prävention und bieten Vorträge und Workshops, doch die meisten Schulen lehnen ab. Sie wollen nicht mit dem Thema in Zusammenhang gebracht werden. Damit öffnen sie Loverboys Tür und Tor.
Die Dokumentation "Verliebt, verführt, verkauft" zeigt, wie die perfide Methode der Loverboys funktioniert. Frauen berichten, wie sie Opfer eines Loverboys wurden, und ein Vater erzählt, wie er machtlos zuschauen musste, als seine Tochter auf diese Weise in die Prostitution abrutschte. Wir fragen: Was können Hilfsorganisationen, Polizei und Justiz gegen Loverboys ausrichten?