Eva Zahn und Volker A. Zahn
(Buch)
Sie leben und arbeiten in Köln. Wie hat das Ihre Arbeit zu Ihrem ersten Drehbuch für das Kölner „Tatort“-Team beeinflusst?
Als wir über unseren ersten Köln-„Tatort“ nachdachten, war schnell klar, dass die Stadt eine Hauptrolle im Film spielen muss. Und wenn man Köln zum Strahlen bringen will, kann man sich eigentlich nur für den Rhein und sein ikonografisches Panorama mit Dom, Altstadt und Kranhäusern entscheiden. Auf diese Weise entstand die Idee zu „Hubertys Rache“, einerseits als Hommage an das wunderschöne Köln, andererseits als ein Zeitgeist-Drama über momentan weit verbreitete Opfer- und Empörungsbefindlichkeiten.
Daniel Huberty fühlt sich ungerecht behandelt. Weil er als Lehrer ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte, musste er ins Gefängnis. Was bezweckt er damit, jetzt ein Ausflugsschiff auf dem Rhein zu kapern?
Daniel Huberty möchte „Gerechtigkeit“, so wie er sie interpretiert. Gesetze, Moral und die Empfindungen oder Ängste anderer Menschen blendet er dabei völlig aus. Es geht ihm allein um seine Agenda. Er fühlt sich gedemütigt, er ist ein Gekränkter, ein Abgehängter, er hat seine bürgerliche Existenz und seine Reputation verloren, ein Mann, der mit dem Rücken zur Wand steht und sich von Mächten und Menschen erniedrigt fühlt, denen er nur mit einer spektakulären Aktion die Stirn bieten kann. Es geht ihm, wie der Titel sagt, natürlich auch um Rache, es bereitet ihm durchaus Vergnügen, diejenigen, die ihn haben leiden lassen, in Angst und Schrecken zu versetzen. Aber vor allem geht es bei dieser Geiselnahme darum, den Ruf des engagierten und anerkannten Lehrers Daniel Huberty wiederherzustellen, er will die Deutungshoheit über sein Leben zurück, und dafür inszeniert er eine Art Privatprozess mit ihm als Geschädigtem, Staatsanwalt und Richter in einer Person. Die Welt da draußen soll wissen, was ihm diese fünf Menschen angetan haben, er will den Freispruch erzwingen, den ihm die Justiz versagt hat, dafür riskiert er auch, in den Knast zu gehen, das ist es wert! Und wenn er diesen Freispruch nicht bekommt, kann es für ihn nur noch einen letzten Ausweg geben…
Wie nah kommen wir als Zuschauer:innen dem Familienvater Huberty? Hat er nicht vielleicht sogar ein Recht auf Genugtuung?
Wie schön, dass Sie fragen, ob er vielleicht sogar ein Recht auf Genugtuung hat. Denn genau darüber sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer diskutieren. Für uns ist allerdings klar: Daniel Huberty wurde zu Recht verurteilt. Er hatte Sex mit einer minderjährigen Schutzbefohlenen. Was er als Liebe darstellt – und vielleicht sogar als Liebe empfunden hat – war Missbrauch! Das Leben des Mädchens, die jetzt eine junge Frau ist, wurde durch diesen Missbrauch nachhaltig geschädigt. Nach Hubertys Interpretation war die Liebe einvernehmlich, ihn trifft keine Schuld, und deshalb kann er auch die Verantwortung dafür, dass sein Leben in Trümmern liegt, klar adressieren. „Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Nach diesem Leitsatz, den Corona-Leugner und Verschwörungsideologen so gerne skandieren, handelt auch Daniel Huberty. Aber was in einer Diktatur richtig ist, ist in einem Rechtsstaat pure Verblendung. Der ehemalige Lehrer gehört zu jenen Menschen, die es nicht ertragen oder akzeptieren, dass Regeln und Gesetze nicht exakt ihre ganz persönlichen Empfindungen, Bedürfnisse und Ansichten widerspiegeln. Natürlich hat er auch Unrecht erfahren, er wurde – obwohl er seine Strafe abgesessen hat – gedemütigt und gekränkt, aber indem er nun durchdreht und seinen gewalttätigen Irrsinn auch noch moralisch überhöht, entpuppt er sich doch nur als brandgefährliche Ausgabe eines enthemmten Wutbürgers.
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