Gespräch mit Wotan Wilke Möhring
Thorsten Falke
Falke und Grosz checken die Sicherheitsmaßnahmen für einen Staatsbesuch, als er für eine spezielle Aufgabe in die Provinz gesandt wird. Julia Grosz ist in Hannover unabkömmlich und kann nur im Hintergrund helfen. Also muss Falke auf eigene Faust, assistiert vom Dorfpolizisten Wacker, im ländlich gelegenen Internat Rosenhag recherchieren. Ein seltsamer Ort: Kinder reicher Eltern, die üppiges Schulgeld bezahlen, aber antiautoritärer Habitus im Lehrkörper. Falke, selbst nicht gerade ein autoritärer Typ, ist skeptisch. Ein vermisster Schüler wird ermordet aufgefunden, während der Vater, ein Diktator, auf Staatsbesuch kommt. Falkes Auftrag: Wahrheit und Wirtschaftsinteressen in ein staatstragendes Verhältnis zu bringen.
So ganz leicht tut sich Thorsten Falke nicht mit Jugendlichen – und jetzt hat er es mit einer ganzen Schule zu tun – aber immerhin: Er merkt schnell, wenn er angelogen wird. Dabei ist er immer auf der Seite der Schwachen, da können noch so viele Polizeichefs und Innenministerinnen intervenieren. Und vor einer Diktatorengattin kniet er nur, wenn es gilt, Spuren zu sichern. Was Falke auch nicht mag: vorschnelle Lösungen.
Gespräch mit Wotan Wilke Möhring
Kommissar Falke ist als Personenschützer im Einsatz. Er soll einen südamerikanischen Staatsgast vor Demonstranten schützen. Wie geht er die Aufgabe an?
Er hat anfangs überhaupt keinen Bock auf den Job. Zumal der angekündigte Präsident sein Land mit der Knute regiert. Der Mann ist ein Despot, der in seiner Heimat die Meinungsfreiheit unterdrückt und Falke nicht besonders schützenswert erscheint. Aber es gehört zu seinen Pflichten bei der Bundespolizei, die Sicherheit von Staatsgästen zu gewährlisten, auch wenn sie keine Demokraten sind. Da ist er der verlängerte Arm der Politik und des Innenministers. Als Falke dann auch noch Hals über Kopf und ohne seine Partnerin Julia Grosz auf ein ländliches Internat beordert wird, um das Verschwinden des südamerikanischen Botschaftersohns aufzuklären, ist ihm seine schlechte Laune merklich anzusehen. Er denkt sich: Muss ich jetzt auch noch Kindermädchen spielen? Da passiert nichts, was soll ich da?
Dorf und Nobelinternat – bewegt sich der Kommissar aus Hamburg-Billstedt gleich mehrfach auf fremdem Terrain?
Der Film erzählt eine klassische „Fish-out-of-Water“- Geschichte. Die Provinz ist nicht wirklich Falkes Pflaster. Auf dem Kiez dagegen sieht er sofort, wer ihm gegenübersteht. Aber in diesem elitären Internatsmilieu muss er den Blick für das, was wahr ist, erst finden. Er fängt gewissermaßen bei Null an. An der Schule wirkt er wie ein Fremdling. In seinen Augen ist das Internet etwas für Leute, gegen die er schon immer bestimmte Vorbehalte hatte. Mit dem Wort Internat verbindet Falke eine realitätsferne Elitebildung: die Idee, dass einer von Geburt aus mehr wert sein soll als ein anderer. So etwas ist für ihn inakzeptabel. Trotzdem hält sich Falke für seine Verhältnisse gut im Zaum. Er spürt, dass die Tragiken des normalen Lebens auch hinter den Mauern eines Nobelinternats wirksam sind. Wenn es um Leben und Tod geht, sind wir alle gleich. Im Laufe des Films merkt Falke, dass für die Schüler durchaus gute Arbeit geleistet wird, und er ist bereit, seine Vorurteile zu hinterfragen.
Wie stehen Sie persönlich zum Schulsystem Internat?
Ich sehe es ähnlich wie Falke, aber eher ohne dessen klassenkämpferische Attitude. Meines Erachtens kommt alles, was ich meinen Kindern an realer Welt vorenthalte, eines Tages mit doppelter Kraft auf sie zu. Außerdem kommt es wohl nicht selten vor, dass Internatsschüler immer unter sich sind und es ein Leben lang bleiben. Später gehen viele dieser Absolventen direkt als Spitzenkräfte in die Wirtschaft oder in die Politik, womöglich ohne ein Verständnis für die Belange der so genannten kleinen Leute. Und das finde ich problematisch. Falke sagt am Ende des Films: Alle sollten eine anständige Schulbildung kriegen, nicht nur die mit Kohle. Diese Meinung teile ich.
Falke ermittelt ohne seine Kollegin Julia Grosz. Kommt er gut alleine klar?
Seine Partnerin fehlt ihm. Wenn sie im Team ermitteln, können sie sich wie beim Pingpong die Bälle zuspielen. Das ist filmisch gesehen wichtig für die Darstellung der Ermittlungsschritte und für das Verständnis des Zuschauers. Wie sich im Kopf des Kommissars die Verdachtsmomente verknüpfen, ist allein schwierig darzustellen, ohne Grosz als Spiegel. Falke wird stattdessen der Ortskollege Felix Wacker an die Seite gestellt, der nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt ist, um einen solchen Fall zu lösen. Als Dorfpolizist hat er hauptsächlich Strafmandate verteilt oder Ladendiebstähle verfolgt. Wacker kommt mit dem Klapprad zum Einsatz und gibt im Internat als Erstes ungefragt von sich, er sei „ein bisschen neidisch“ auf die Schüler. In diesem Moment weiß Falke, von diesem ansonsten sympathischen Kollegen ist nicht viel zu erwarten.
Tappt Falke lange im Dunkeln, weil die Politik falschspielt? Angeblich soll er den Sohn des Botschafters aufspüren. Aber warum hatte der Schüler einen Bodyguard an seiner Seite?
Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, ihm die Information vorzuenthalten, dass der Verschwundene in Wahrheit der Sohn des Präsidenten ist. Es nervt ihn total, wenn der Innenminister, die Staatskanzlei oder die Partnerin nicht mit offenen Karten spielen. Wie soll er sonst auf die Lage angemessen reagieren?
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