Interview mit Lucas Prisor
Herr Prisor, im Tatort "Wer Wind erntet, sät Sturm" sind Sie in der Rolle des Umweltaktivisten Kilian Hardenhof zu sehen. Was ist das für eine Rolle?
Kilian ist von Natur aus ein gutmütiger und lebensbejahender Mensch. Er genoss schulische Bildung und gutbürgerliche Erziehung. Und viel- leicht gerade weil er so privilegiert aufgewachsen ist, sucht er eine Aufgabe, dem Weltfrieden zu dienen, im Sinne von sozialer als auch umweltpolitischer Gerechtigkeit. Sein großer Mentor, der Umweltaktivist Henrik Paulsen, sowie sein Kollege Pico werden für ihn ausschließliche Partner im radikal-idealistischem "Kampf gegen das Böse".
Die Figur des Kilian Hardenhof ist nur schwer zu durchschauen.
Es war für mich einerseits ein psychologisches Spiel, aber vor allem eine sehr emotionale Verarbeitung eines Zustandes des totalen Verlustes. Natürlich sind die Umweltziele Ausgangssituation seines Strebens. Und wenn man einer Sache auf den Grund gehen will, findet man immer wieder Makel im System. Daher, wenn man seinen Idealismus radikal verfolgt, erkennt man, dass fast nichts im Leben und auch keine Umweltorganisation perfekt sein kann oder handelt. Die drei Umweltaktivisten Kilian, Henrik und Pico geben sich aber mit diesen Lücken und Kompromissen nie zufrieden. Kilians Mentor ist wie eine Vaterfigur, jemand, der ihm eine Bedeutung im Leben gegeben hat, ihm Verantwortung überträgt, ihm endlich zeigt etwas wert zu sein.
Worin lag für Sie grundsätzlich der größte Reiz dieser Rolle?
Ich finde es äußerst spannend, dem Denken und Fühlen einer Person nachzugehen, die sich in solch radikaler Weise dem Leben konfrontiert bzw. ausliefert. Es gibt nicht DIE Richtigkeit oder Wahrheit, aber Kilian und seine Partner suchen nach ihr. Verbissen, gezwungen, radikal! Gleichzeitig leidet meine Rolle stark aufgrund eines Verlustes, und dieser Zustand des "eine Welt bricht zusammen" ist ein sehr großer, interessanter.
Sie leben in Frankreich und Deutschland und haben bereits in einigen französischen Filmen mitgespielt, unter anderem in dem Kinofilm "Jung und schön" unter der Regie von Francois Ozon. Gibt es einen Unterschied zwischen deutschen und französischen Filmproduktionen?
In Frankreich gibt es eine ganz andere Art von Filmkultur. Franzosen produzieren und konsumieren vielfach mehr Filme pro Jahr als die Deutschen. Daher ist die Nachfrage auch viel größer und es kommt öfters zu interessanten Projekten, national als auch international. Es gibt oft kleinere Gagen, dafür ist der Drehzeitraum länger. Mit Francois Ozon und aktuell Paul Verhoeven ("Elle") treffe ich in Frankreich auf international bekannte, angesehene Regisseure, deren Anspruch und Ästhetik mehr als nur ein "Spielfilm" ist, der amüsieren soll. Ich habe das Gefühl, dass die Franzosen mehr im Kino-Diskurs sind. Während in Deutschland viele Fernsehfilme produziert werden, scheint der französische Kino-Film eine größere Kultur zu erleben.
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