Interview mit Autor Wilfried Huismann

Overbeck und Stedefreund
Gibt es dort Hinweise auf das Motiv des Täters? | Bild: Radio Bremen / Jörg Landsberg

»Das ist wie "Dallas" an der Nordseeküste.«

Herr Huismann, gemeinsam mit Boris Dennulat und Dirk Morgenstern haben Sie das Drehbuch zum Tatort "Wer Wind erntet, sät Sturm" geschrieben. Im Film geht es um den Mord an einem Umweltaktivisten, der sich gegen den Bau von Windkraftanlagen eingesetzt hat. Alle Verdächtigen, auf die die Kommissare bei ihren Ermittlungen treffen, sind sehr ambivalent. Was war Ihnen bei der Entwicklung der einzelnen Figuren besonders wichtig?

Dass sie glaubwürdig sind. Wie im wahren Leben wissen unsere Protagonisten nicht, wer sie wirklich sind und was sie tun sollen. Katrin, die Naturschützerin, schwankt zwischen idealistischem Einsatz für Schweinswale und andere Nordseetiere und der Verführung durch Macht. Wenn sie mit den Energiekonzernen kooperiert, gewinnt sie an politischem Einfluss, riskiert aber ihre Ideale. Das macht beispielsweise diese Figur spannend. Auch den grünen Windkraftpionier Overbeck haben wir der Wirklichkeit abgeguckt. Offshore-Unternehmer sind oft Überzeugungstäter, weil sie eine neue, gewagte Technologie gegen starke Widerstände durchsetzen müssen. Dazu kommt: Sie operieren außerhalb der nationalen Hoheitsgrenzen in der freien See. Wer zuerst ein Meeresgebiet besetzt und es als Claim anmeldet, ist Sieger. Das ist wie im Wilden Westen – und äußerst riskant. Einige Unternehmer haben dabei ein paar hundert Millionen Euro in den Sand gesetzt und persönlich ein tragisches Ende gefunden. Overbeck hat viele Seiten: Charmant, aber auch rücksichtslos und arrogant. Er kämpft um sein Lebens- werk. Aber als er am Ende vor einer sehr schwierigen Entscheidung steht, verhält er sich anders, als viele Zuschauer es von ihm erwarten.

Unter anderem durch diese Figurenkonstellation ist Ihnen mit "Wer Wind erntet, sät Sturm" ein Tatort gelungen, bei dem man irgendwann gar nicht mehr weiß, wer hier Opfer und wer Täter ist. Was war für Sie die größte Herausforderung beim Schreiben?

Wir wollten erreichen, dass man alle Figuren mit ihren Zweifeln und Brüchen kennen- und verstehen lernt. So wird man durch die Protagonisten ganz gut in das Drama hineingezogen, auch weil scheinbar sicher Geglaubtes aus den Fugen gerät. Diese Ambivalenz glaubwürdig zu erzählen, war für mich die größte Herausforderung.

Zugleich gewinnt man als Zuschauer interessante Erkenntnisse über das hochkomplexe Thema der Windenergie. "Wie kann man als Umweltschützer gegen Windräder sein?" fragt Hauptkommissar Stedefreund einmal verwundert. Ja, wie kann man?

Immer dann, wenn man anerkennt, dass ausgerechnet die erneuerbaren Energien besonders schlimme Folgen für die Natur haben: Bioenergie aus Pflanzen wie Mais oder Soja führt zu einer drastischen Verarmung von Flora und Fauna in Deutschland und vernichtet Regenwälder in Südamerika. Und Windkraft auf hoher See führt zu einem massiven Vogelsterben. Millionen von Singvögeln überqueren die Nordsee im Frühjahr und Herbst. Im Gegensatz zu Seevögeln kennen sie sich dort nicht aus. Bei Wind und Regen schaffen sie die lange Strecke nur mit letzter Kraft. Und wenn sie dann bei vollkommener Dunkelheit die Positionslichter der Windräder sehen, steuern sie darauf zu und werden zu tausenden geschreddert. Das Problem wird von Naturschützern oft verdrängt, weil sie auf das Thema Klimakatastrophe fixiert sind. Außerdem akzeptieren einige große Naturschutzorganisationen hohe Geldzahlungen von Windparkbetreibern, wenn sie auf eine Klage wegen Verstoßes gegen die deutsche oder europäische Naturschutzgesetzgebung verzichten.

Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Krimi gekommen?

Als ich gelesen hatte, dass einer der Gründerväter des BUND (Anm. d. Red.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Ennoch zu Guttenberg, ausgetreten ist, weil sein Naturschutzbund 2003 eine Klage gegen den Bau des Windparks Nordergründe zurückgezogen hat – und zwar gegen die Zahlung von 800.000 Euro für ein Naturschutzprojekt. Zu Guttenberg warf dem BUND Verrat an der Natur und „Käuflichkeit“ vor. Da hat es hinter den Kulissen richtig gekracht und mir war klar, das ist ein toller Stoff. Im Gespräch mit der Redakteurin Annette Strelow und Regisseur Florian Baxmeyer haben wir uns dann schnell darauf verständigt, dass der Krieg um den wahren "grünen" Glauben das eigentliche Thema dieses Tatorts sein soll.

Wie sahen Ihre Recherchen zu diesem Tatort aus?

Wir haben uns in der Branche umgehört und festgestellt, dass der Klageverzicht im Fall Nordergründe kein Einzelfall ist, sondern gängiges Geschäftsmodell. Auch mit Ornithologen und Gutachern habe ich gesprochen. Sie haben mir die Gefährdung der Zugvögel durch Windräder im Meer bestätigt und auch erklärt, warum sie sich dazu öffentlich nicht äußern: Der Markt mit den gut bezahlten Auftragsgutachten durch Windparkbetreiber blüht und gibt vielen Biologen Lohn und Brot. Alles verständlich, aber auch das ist Teil des Konflikts.

Sie sind bekannt für Ihre investigativen Recherchen und wurden für Ihre Dokumentationen bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dreimal der Adolf-Grimme-Preis. Zuletzt sorgten Ihre WDR- Fernsehdokumentation "Der Pakt mit dem Panda" und das entsprechende Buch "Schwarzbuch WWF" für Schlagzeilen, in denen Sie die Nähe der Umweltschutzorganisation zu Industrie und die Beteiligung an ökologisch umstrittenen Projekten kritisierten. Glauben Sie, dass auch der Tatort "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" für Kritik sorgen wird?

Wenn über das Thema hinter der Geschichte kontrovers diskutiert wird, dann freuen wir uns, aber wichtiger ist, wenn die Leute der Geschichte glauben und sich von den Zweifeln, Hoffnungen und auch den tragischen Fehlern der Akteure in den Bann ziehen lassen.

Nun hätten Sie zu dem Thema auch einen Dokumentarfilm drehen können, Sie haben sich jedoch dafür entschieden, dass daraus ein Tatort werden soll. Warum?

Als Doku wäre das Thema mir zu dröge. Richtig spannend wird es, wenn man den grünen Familienstreit als menschliche Tragödie erzählen kann. Das ist wie "Dallas" an der Nordseeküste.

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