Gespräch mit Fahri Yardim
Was tut Yalcin Gümer mehr weh: der Schuss durchs Bein beim ersten Einsatz mit dem neuen Kollegen in "Willkommen in Hamburg" oder jetzt, wenn Nick ihn beim ersten Wiedersehen wort- und grußlos stehen lässt, obwohl er ihn gerade erst vor einer Autobombe gerettet hat?
Klar, der Schuss hat geziept, aber wenn einer deinem Liebesvorschuss diese kalte Schulter hinhält, dann geht das aufs Bullenherz. Das kittet sich nich’ mit Nadel und Faden.
Neue Töne in Ihrem Verhältnis kommen ins Spiel. Schön, weil sensibel austariert, entwickelt sich etwa das Missverhältnis der Erwartungen. Yalcin sucht die Freundschaft zu Nick, wird dabei aber immer wieder kalt ausgebremst. Hat das auch – ohne jede falsche Konnotation gemeint – etwas von einer klassischen Liebesbeziehung, wo einer mehr will, als der andere ihm geben kann?
Platonisch, dafür aber vom Feinsten. Yalcin hat weiblichere Anteile, der bietet die Brust an, Nick aber is’ raus aus der oralen Phase, der traut der Grinsebacke nich’ übern Steg.
Yalcin erkennt Potenzial, das Nick noch nicht bewusst ist?
Ja, es braucht Geduld, einen einsamen Wolf zu resozialisieren.
Noch ein reizvolles Spannungsfeld kommt allmählich zum Tragen, das der Moral im Verbrechenskampf. Nicks Credo des gerechten, aber unerbittlichen Streetfighters scheint Yalcin einerseits zu imponieren, andererseits beginnt er offen gegen das Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" zu opponieren. Wie geht er mit diesem Konflikt um?
Innerlich kämpfen die ambivalenten Ideen einen erbitterten Fechtkampf, indem die Reaktionären, nach Vergeltung schreienden Anteile einem stärkeren Weltbild unterliegen, das statt Schuld und Sühne zu grölen, nach Zusammenhängen fragt.
"Radikale Verhältnisse schaffen radikale Verlierer", spöttelt Yalcin über das vermeintliche Gesetz des Stärkeren. An anderer Stelle vermisst er die Besinnung darauf, eine Parallelgesellschaft wie den Astan-Clan rechtzeitig zu verhindern, bevor man mit gleicher Münze zurückzahlen muss. Wie hat er sich sein Vertrauen in all die rechtsstaatlichen Theorien bewahren können, wo sie doch so wenig mit der Praxis übereinstimmen?
Man muss Strukturen verändern, um Symptome zu verhindern. Verantwortung wächst aus dem Bewusstsein für Kausalität. Die Praxis hat mit nichts anderem zu tun, sie ist nur manchmal träge in ihren Effekten. Yalcin weiß, den Rechtsstaat schützt man vor allem vor kurzsichtiger Law and Order Politik, wie sie derzeit im wirklichen Hamburg praktiziert wird.
Ton und Atmosphäre in "Kopfgeld" sind insgesamt rauer geworden, Yalcins Späße kommen seltener. Ist der stille Rückzug des Humors auch in ihrem Sinne?
Nein. Ich werde ihn zurückerobern. Er schafft eine nötige Ergänzung. Zum Betonkopf verhält er sich wie Wackelpudding. Er wackelt. Wackeln ist wichtig.
Yalcin ist der Einzige im Polizeiteam, der den fanatischen Drogenschnüffler Kromer bald durchschaut. Warum setzt er sich mit seinem Spürsinn nicht stärker durch?
Kromer hat Reputation, da musst du dir mehr als sicher sein, sonst heißt es, "keine Haare am Sack, aber im Puff drängeln", bei der Polizei bestimmen die Alten. Als junger Bulle musst du vorsichtig balzen.
Yalcin schießt auch nicht, als er Kromer ertappt, wie der seinen langjährigen Feind, den Boss des Bürsüm-Clans, endlich vor sich hat; Zeit dazu hätte er genügend. Was hindert ihn in diesem Moment, bei dem sein Kumpel Nick nicht lange fackeln würde?
Kein tieferer Grund, als dass Kromer vor der Geisel steht, die Gefahr, den Falschen zu erwischen, is’ zu groß.
Nachdem sich am Ende aller Pulverdampf gelegt hat, hält Yalcin am Krankenbett des halb bewusstlosen Nick Wache und sagt: "… und dann müssen wir uns mal dringend über deine Zukunft unterhalten." So leicht gibt er also nicht auf, seinen Partner auf den Pfad der Tugend zurückzuholen, oder?
Und er genießt es, dass Nick ans Bett gefesselt is’, da fällt Erziehung leichter.
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