Gespräch mit Ralph Herforth

»Ich glaube, dass Korruption und Vorteilsnahme bis in die höchsten Etagen reicht, auch in unserem Land.«

Enno Kromer
Ralph Herforth ist Enno Kromer | Bild: ARD / Marion von der Mehden

Sie spielen Enno Kromer, den LKA-Experten für Drogenkriminalität, als fanatische, gebrochene Figur. Worauf lag in der Vorbereitung ihr Augenmerk?

Kromer ist in seinem Kampf gegen die Drogenmafia immer allein geblieben, mit den legalen Mitteln des Rechtsstaats war kein Weiterkommen. Er hat sich entschieden: Gerechtigkeit gibt es nicht. Dann sollen wenigstens die, die über mich und meine Stadt Hamburg gelacht haben, nichts mehr zu lachen haben. Kromer ist auch sterbenskrank. Nein, "fanatisch" trifft es nicht. Er ist verspätet konsequent (lacht).

Sieht sich Kromer auf allen Seiten umzingelt von Gegnern, die er für sein Scheitern verantwortlich machen kann?

Er weiß, dass er beruflich gescheitert ist, weiß aber auch: Krieg’ ich einen weg, stehen die nächsten schon da. Aber den einen, seinen persönlichen Gegner, den will er mitnehmen, dem will er zeigen: Ich gehe nicht allein, du gehst mit. Das ist ein klassisches Motiv des Western, wie bei "Erbarmungslos" oder "Gran Torino". Diese Entschlossenheit bei Clint Eastwood, ohne sie je zu betonen – das habe ich zum Vorbild genommen.

Glaubt er in Nick Tschiller, einem impulsiven Einzelkämpfer, wie er selbst vielleicht einmal einer war, einen Seelenverwandten gefunden zu haben, oder ist er ihm nur ein willkommenes Mittel zum Zweck, um endlich ans Ziel zu gelangen, die Vernichtung des Bürsüm-Clans?

Natürlich nützt er ihn aus, merkt aber bald, da tickt einer wie ich. Das ist ja auch eine politische Dimension dieses Unterhaltungsfilms, etwas, was in einem politisch so korrekten Fernsehland wie Deutschland eigentlich undenkbar ist, ein völlig verbitterter, resignierter Polizist, der aus seiner Frustration und Enttäuschung über den Rechtsstaat heraus zur Selbstjustiz greift und todkrank für Gerechtigkeit sorgen will. "Kopfgeld" wird da vielen Leuten nicht gefallen, gerade dem Bildungsbürgertum und allen, die wissen, wie’s geht, komischerweise aber nie in diesen Gegenden, diesen Parallelwelten, wohnen.

Mit Ihrer großen Erfahrung in Kriminalfilmen – auf der guten wie der bösen Seite – besitzen sie bestimmt einen guten Einblick in die Mechaniken des Verbrechenskampfs. Ist das Thema wechselseitiger Bestechlichkeit, wie es in "Kopfgeld" anklingt, womöglich ein realistischer Bestandteil der Polizeiarbeit?

Ich glaube, dass Korruption und Vorteilsnahme bis in die höchsten Etagen reicht, auch in unserem Land.

Die Hamburger "Tatort"-Reihe mit Til Schweiger firmiert selbstbewusst unter dem Label "Popcorn-Entertainment". Empfinden sie diese Färbung persönlich als Bereicherung für den "Tatort" oder ist ihnen der klassische Mordermittler lieber?

Als Popcorn kann man "Kopfgeld" nicht mehr bezeichnen. Bei den 13 Millionen, die hoffentlich wieder zuschauen werden, sind garantiert viele 20- und unter 30-Jährige dabei. Die kennen "Homeland" und die anderen tollen US-Serien. Die brauchen keine Krimis, wo nichts passiert außer deutsche Langeweile. Bei uns dagegen ist Drive drin, Spannung, Action, guter Schnitt, gute Musik. Und das Wichtigste: Es wird ein guter Plot erzählt. Der Til-Schweiger-Tatort ist einfach laut.

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