Mo., 12.12.16 | 00:05 Uhr
Das Erste
Die "Druckfrisch" Buch-Tipps vor dem Fest
Das Buch, das ich Ihnen heute als allererstes vorstellen möchte, ist sehr schmal und kommt gewissermaßen auf Katzenpfötchen daher. Es trägt einen ganz schlichten, ja fast einfältigen Titel: "Ein Monat auf dem Land". Sein Autor, der Brite J.L. Carr, ist hierzulande völlig unbekannt und zudem seit über 20 Jahren tot. Aber: Dieses Büchlein von gerade mal 158 Seiten besitzt die Kraft und die Wucht, uns ein ganzes Leserleben lang zu prägen und zu verändern.
J.L. Carr erzählt von einen Mann, der aus der Hölle kommt: aus der Hölle des belgischen Örtchens Passendale in der dritten Flandernschlacht des Ersten Weltkriegs. Aus dem Grauen des Grabenkrieges hat der Veteran hat ein unkontrollierbares Zucken im Gesicht und ein Stottern zurückbehalten – sowie tiefere, nicht sichtbare Spuren, die ihn in seinen Träumen heimsuchen. "Wir hatten unsere gefallenen Kameraden abgeschüttelt", lässt Carr seinen Ich-Erzähler denken. "Allerdings nur bei Tage. Nachts, im Dunkeln, kehrten sie zu uns zurück, aber wir wollten nichts mehr von ihnen wissen: Sie gehörten jetzt zu einer anderen Welt – nun, zur Hölle, wenn man es so bezeichnen darf."
Mit der Hölle hat der Mann auch tagsüber zu tun, denn er ist Restaurator. Ein spleeniges Testament zwingt eine nordenglische Kirchengemeinde dazu, ein mittelalterliches Wandgemälde freilegen zu lassen, eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Einen Sommer lang wird unser Erzähler dazu in dem kleinen Dörfchen Oxgodby verbringen. Er wird sich während dieses Sommers verlieben, echte Freundschaft kennenlernen, profunde Einblicke in die Kunst gewinnen, sein Wertesystem neu durchdenken und vor allem erfahren, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Dies alles ist so hinreißend zart, klug und einfühlsam erzählt, dass dieses Buch Leser finden wird, so lange sich Menschen Geschichten über Liebe und Tod erzählen werden. Also vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie J.L. Carrs "Ein Monat auf dem Land", erschienen in der deutschen Übersetzung von Monika Köpfer im Dumont Verlag.
Zudem: Tipps vor dem Fest. Exklusiv in "Druckfrisch“ empfiehlt Michael Ondaatje "Die Buchhandlung" von Penelope Fitzgerald. Und Denis Scheck legt den Zuschauern den großartigen Bildband "Angelus & Diabolus" über Engel, Teufel und Dämonen in der christlichen Kunst nahe.
Stand: 12.12.2016 08:52 Uhr
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