Interview mit Tante Gladice als Gudrun, die Göttliche
"Axel Milberg im Fummel – grandios!" – Interview mit Tante Gladice als Gudrun, die Göttliche
Sie haben „Meine Freundin Volker“ bei der Uraufführung im Sommer 2022 auf dem Filmkunstfest in Schwerin im Kino gesehen. Wie hat er Ihnen gefallen?
Ich fand den Film wirklich super. Es ist gelungen, die Drag- und Travestieszene in Deutschland in ihrem ganzen Spektrum abzubilden. Außerdem hat mich die Geschichte des Jungen Lukas tief berührt. Wie schwierig es doch schon in jungen Jahren ist, akzeptiert zu werden, wenn man auf der Bühne des Schultheaters nicht den Königssohn spielen möchte, sondern die Prinzessin Cinderella. Ich fühlte mich an meine eigene Kindheit erinnert. Wenn bei uns Waschtag war, habe ich mir die Gardinen um die Hüften geklemmt und davon geträumt, mir einen Reifrock zu nähen. Da war ich sechs. Es hat mir gefallen, dass im Film die Mutter hinter ihrem Jungen steht. Bei mir war es eher meine Großmutter. Damals wollte meine Mutter mich in die engen Jeans zwängen, wie sie in den 70er-Jahren üblich waren. Aber jetzt ist sie ein begeisterter Fan.
Und wie fanden Sie Axel Milberg als Vivian Bernaise?
Axel Milberg im Fummel – grandios! Wie man sexy auf High Heels läuft, daran müssen wir vielleicht noch ein bisschen arbeiten, aber Maske und Kostüm waren – mega! Sein Auftritt als Dragqueen im Theater, Mimik und Gestik, alles war wirklich der Wahnsinn. Das hat ordentlich Bums gemacht! Und mit diesem Urteil stehe ich nicht allein da. Das haben alle Dragqueens, die im Publikum saßen, in den Drehpausen so gesagt. Die Sprüche, die er auf der Bühne reißt, die Battles, in denen sich die Dragqueens selber so ein bisschen niedermachen, es war alles sehr fein abgestimmt. Auch wie er als Volker untertaucht und in Itzehoe mit seinen Kostümen in so einem Kämmerchen sitzt – einfach toll. Man spürte, da haben sich alle Beteiligten viele Gedanken gemacht, um unsere Community authentisch rüberzubringen. Axel dürfte nebenbei bemerkt die gleiche Konfektionsgröße haben wie ich. Sollte der NDR keine Verwendung mehr für die Kleider haben, darf sich der Sender gern bei mir melden. Die Kostüme müssen wieder auf die Bühne!
Steht Ihre Community hinter dem Film?
Für mich würde ich das auf jeden Fall unterschreiben. Und ich weiß, dass auch die Drag-Kolleginnen, die im Film mitgewirkt haben, „Meine Freundin Volker“ als ihren Film betrachten. Auch weil er darüber aufklärt, was Drag überhaupt bedeutet. Und da herrscht offenbar Bedarf: In Schwerin haben mich nach der Kinovorführung viele Zuschauer angesprochen. Sie sagten, wow, es sei ihnen gar nicht bewusst gewesen, dass es sich um eine eigene Kunstform handelt.
Übergriffe auf Dragqueens nehmen auch in Deutschland zu. Wie erklären Sie sich das?
Selbst wenn wir an den Drehtagen über die Reeperbahn gegangen sind, sahen wir uns Anfeindungen von Männern ausgesetzt. Wer bist du denn? Was willst du? Bist du Frau oder Mann? Wobei das noch die harmloseren Bemerkungen waren. Es hat sogar Handgreiflichkeiten gegeben. Wenn man im Rudel auftritt, ist alles fein. Aber sobald man allein unterwegs ist, muss man aufpassen. Bei uns in Frankfurt wurden im letzten Jahr mehrere Dragqueens auf der Straße beleidigt, körperlich angegriffen und verletzt. Diese zunehmende Bedrohung kommt im Film sehr gut rüber.
Haben Männer Angst vor Dragqueens?
Die Leute wissen zum einen nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Weil wir natürlich Männer sind. Und weil wir in unseren Rollen als Tante Gladice, Electra Pain, Wella Klitorax oder Cocco Montrese ein Idealbild von Frauen verkörpern. Unsere Shows sind eine Hommage an die Frauen, das wird im Film von der Figur Volker auch gut erklärt, wir vergöttern die Weiblichkeit und finden sie überwältigend schön. Vielleicht ist es dieses selbstbewusste, weibliche Auftreten, was Männern Angst macht. Unsere Vorbilder sind ja immer starke Frauen, Trude Herr, Doris Day, Lady Gaga oder Cher – und nicht Kultstars wie Marlon Brando oder Tom Cruise. Ich behaupte einmal, das Problem sind Männer, die sich vor starken Frauen fürchten.