Gespräch mit Sebastian Blomberg

„Ich hoffe sehr, wir haben den Ton getroffen und ein Fenster geöffnet in diesem nach allen Seiten verriegelten Haus“ 

Gespräch mit Sebastian Blomberg über seine Rolle als Generalvikar und die Katholische Kirche, die das Theater beherrscht wie keine andere Institution.

Daniel (Florian Lukas,li.) stellt Generalvikar Billing (Sebastian Blomberg) zur Rede.
Daniel stellt Generalvikar Billing zur Rede. | Bild: NDR / Kai Schulz

Äußerlich ist Generalvikar Billing von tadelloser Haltung. Freundlich begrüßt er den leger gekleideten Kommissar, freundlich erteilt er dessen Anliegen eine Absage. Nein, in Pastor Ottos Personalakte wird er nicht ohne Weiteres Einsicht gewähren. Billings Aufgabe ist es schließlich, sich um das ihm anvertraute Personal zu kümmern, meist schützend. Kontroversen werden intern ausgetragen. Ja, er habe eine Auseinandersetzung mit Pastor Otto gehabt, ja, sogar Streit. Aber es sei um die Organisation eines Festes gegangen. Die Wahrheit ist eine Sache, die Billing nicht mit der Polizei verhandelt. Die Soutane trägt Billing wie eine Rüstung im Kampf gegen die Ungläubigen – oder im Kampf gegen sich selbst.  

Für Ihre Rolle als Generalvikar sind Sie in die Soutane geschlüpft. Hat Ihnen das Kostüm geholfen, sich in einen kirchlichen Würdenträger zu verwandeln? 
Ich glaube, dass jeder Würdenträger dieses Mittel nutzt, um Macht und Repräsentation auszustrahlen. Und so geht es einem als Schauspieler. Die Soutane war vor dem Dreh lange ein Diskussionspunkt. Heutige Kirchenfunktionäre tragen dieses Obergewand nur zu offiziellen Anlässen, aber nicht im Alltagsgeschäft. Wir haben uns dennoch für die Soutane entschieden, weil es um die Verkörperung von Macht geht und weil sich in ihr ein gewisser Ästhetizismus der Kirche ausdrückt. Auf der einen Seite die reichen Stoffe und wallenden Silhouetten, auf der anderen das hässliche Thema Missbrauch: Sie ergeben im Film eine perfide Paarung.    

Der Generalvikar schafft Beweise für Missbrauch beiseite und bemüht sich doch in seinem Rahmen um Veränderung. Steckt er in einem ausweglosen Dilemma? 
Er versucht, in der Institution zu funktionieren und gleichzeitig mit einem aufklärerischen Impetus aufzutreten, um das System quasi im Geheimbündlerischen zu reformieren. Eigentlich ist ihm schon vor langer Zeit klar gewesen, dass man das System Kirche von innen heraus nicht ändern kann. Aber irgendwie agiert er noch auf der letzten heruntergefahrenen Felge, in dem Glauben, das Notwendigste zu tun, im Grunde sogar den Betroffenen zu helfen und die Täter ihrem Recht zuzuführen. Es hat ja seine Gründe, dass Kirche häufig mit Mafia und Omertà, dem selbstauferlegten Schweigegelübde, verglichen wird. Der Pflicht, den Mund zu halten, unterliegen bis heute alle, die in der Kirche und aus ihr heraus agieren. Wer sagt, was Sache ist, wird früher oder später sein Amt verlieren, vor allem, wenn er eine gehobene Position bekleidet. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie sich als Schauspieler mit dem Thema auseinandersetzen. 
Zum ersten Mal kam das Thema auf mich zu, als ich von dem systemischen Missbrauch an der Odenwaldschule erfahren habe. Weil ich selber Internatskind bin, haben mich die Vorfälle betroffen und in ihrer Dimension sprachlos gemacht. Ich kannte Schüler von der Odenwaldschule und habe dort als Jugendlicher Theater gespielt. Heute blicke ich als Schauspieler nicht ohne eine gewisse Faszination und Affektion auf die Institution der Kirche. Selber als Protestant aufgewachsen, hat mich die in sich geschlossene Liturgie der Katholischen Kirche doch immer interessiert. Ich bin ein Mensch vom Theater, und die Katholische Kirche beherrscht das Theater. Sie hat es wahrscheinlich erfunden wie keine andere Institution. Das meine ich im Positiven wie im Negativen.  

Finden Sie es skandalös, dass die Kirche alles unternimmt, um eine Strafverfolgung zu verhindern? 
Ja, das ist an Anmaßung nicht zu übertreffen. Die institutionelle Anmaßung, über dem Gesetz zu stehen, ist bis heute ein Skandal, dem sich keiner wirklich annimmt. Auch die Politik nicht.  

Was wünschen Sie diesem Film? 
Mögen viele diesen Film sehen und die Betroffenen offen sagen, wie sie ihn finden. Ich persönlich hoffe sehr, wir haben den Ton getroffen und ein Fenster geöffnet in diesem nach allen Seiten verriegelten Haus.

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