Mo., 17.07.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Myanmar: Das dreckige Geschäft mit der kostbaren Jade
Ein Schwall aus grauem Geröll: Mit Hacken und Hämmerchen stürzen sich die Arbeiter auf die Brocken aus Stein. Hier aus Kachin im Nordosten Myanmars kommt die Jade. Auch der Lehrer Sam Awng hofft auf den einen grünen Stein, der ihn reich machen soll. Zwei Steine hat er heute schon gefunden, einer: feine Jade. "Sowas findet du nicht jeden Tag", sagt er. Der Traum vom großen Jade-Fund zieht Männer aus ganz Myanmar an den Rand der Jade-Minen. In den Überresten des Bergbaus, im grauen Geröll, suchen sie ihr Glück. Sogar Kinder helfen bei der Suche. Die Arbeit an den steilen Hängen ist lebensgefährlich. Beinahe jeden Monat kommt ein Arbeiter ums Leben. Erschlagen, begraben, verschüttet von den Steinbrocken aus der Mine. "Die Steine rollen oft richtig schnell den Hang herunter", erzählt Sam Awng. "Die großen Brocken brechen dir alle Knochen. Da hast du keine Chance. Manchmal in der Regenzeit gerät der ganze Hang ins Rutschen."
Krieg um Land und Rohstoffe
Ein Berg nach dem anderen wird abgetragen. Von riesigen Maschinen, von Baggern, Lkw. Kachin ist die Schatzkammer für das grüne Gold. Nirgendwo sonst auf der Welt lagert mehr Jade als hier an der Grenze zu China. Es ist wie ein Fluch. In Kachin herrscht Krieg. Versteckt vor den Augen der Welt. Ein Krieg um Land und Rohstoffe. Der Jade-Abbau ist ein Milliardengeschäft, fest in der Hand von Myanmars mächtigem Militär. Die Generäle wollen sich die die Jade-Minen um jeden Preis sichern. Auch gegen den Widerstand der Kachin.
Jade als Hindernis auf dem Weg zum Frieden
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hatte nach ihrem Wahlsieg versprochen, den Krieg im Norden Myanmars zu beenden. Die wertvolle Jade aber ist das größte Hindernis für den Frieden. Schlimmer noch: Der Krieg zwischen dem Militär und den Kämpfern der Kachin ist heftiger denn je. 100.000 Menschen sind auf der Flucht. "Unser Zuhause liegt mitten auf dem Schlachtfeld", erzählt eine Betroffene. "Wären wir nicht gegangen, wären wir jetzt tot. Wir mussten alles zurücklassen."
Handel mit Jade ist lukrativ
In der alten Handelsstadt Mandalay ist vom Krieg keine Spur. Über dem mächtigen Irrawaddy glitzern die goldenen Pagoden. Gold, Tropenholz und eben Jade: Myanmar ist reicht an Bodenschätzen. Hier in Mandalay werden die wertvollen Steine gehandelt. Thant Sin hat sein Geld mit der grün schimmernden Jade gemacht. Vor allem mit den großen Brocken. Der Handel mit Jade ist lukrativ. Jährlich wird in Myanmar Jade im Wert von geschätzt 31 Milliarden US Dollar abgebaut. Schon ein Kilogramm feinster Jade kann Millionen Dollar wert sein. Stolz zeigt Thant Sin seine riesigen Steine. Vor allem die Chinesen kaufen bei ihm ein. "Die Chinesen glauben, Jade sei gesund, sie kühle den Körper", erzählt Thant Sin. "So ein dunkelgrüner Stein kann unschätzbar teuer sein. Schau hier: Je mehr das Licht durchschimmert, desto höher ist der Preis."
Viele Minen-Arbeiter flüchten sich in Drogen
Jade hat ihren Preis. Auch einen menschlichen: Viele der Minen-Arbeiter flüchten sich in Drogen wie Opium, Heroin und Chrystal Meth. Diese Männer sind auf Zwangsentzug. "Wir dachten, die Drogen würden vor Malaria schützen", erzählt Aung Myint. "Ich habe immer mehr genommen. Ich war sogar im Krankenhaus. Ich bin nicht mehr losgekommen." Vor allem christliche Organisationen kämpfen gegen die Drogenschwemme im Norden Myanmars. Der Entzug läuft robust: Gottes Wort statt Methadon. Drogen sind in Myanmar verboten, in den Jade-Minen aber überall zu haben. Mit Wissen von Militär und Polizei, die am Handel mitverdienten, sagen Aktivisten. "Wo die Minen sind, da gibt es kein Gesetz", sagt der Camp-Direktor. "Der Drogenhandel wird von Gangs kontrolliert. Die machen viel Geld. Die Arbeit in den Minen ist anstrengend und die Männer sind weit weg von ihren Familien. Sie werden leichte Beute." Die Methoden im Drogen-Camp sind rabiat. Ein Fuß in Fesseln. Fast mittelalterlich. Ein Häftling frierend in Decken gewickelt. "Ich habe mich daneben benommen", sagt er. "Dann haben sie mich hierhin gebracht. Ich liege hier seit zwei Tagen und einer Nacht." Der Traum vom großen grünen Jade-Fund – hier endet er. Ein halbes Jahr dauert der Drogenentzug. Dann werden die Männer zu ihren Familien entlassen. Ein Leben ohne Drogen aber gelingt den wenigsten.
Traum vom großen Geld
Auf der Jade-Mine ist die Arbeit für heute getan. Sam Awng, der junge Lehrer, und seine Freunde begutachten die Ausbeute des Tages. Der Schein der Lampe soll verraten, welcher Schatz sich wohl im Innern verbergen mag. "Wir sind alle arm", sagt Sam Awng. "Wir haben nur diesen einen Traum: einen wertvollen Jade-Stein zu finden. Dann ist dein Leben auf einen Schlag ein anderes."
Der Traum vom großen Geld, Sam Awng muss ihn vorerst weiter träumen. Solange die Jademinen in der Hand weniger bleiben, wird es keinen Wohlstand für alle geben. Und wohl auch keinen Frieden in Myanmar.
Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur
Stand: 16.07.2019 07:08 Uhr
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