Gespräch mit Katrin Sass

Karin Lossow (Katrin Sass) sucht bei Fabienne Leppin (Ada Philine Stappenbeck) nach Lara Scherer.
Karin Lossow sucht bei Fabienne Leppin nach Lara Scherer. | Bild: NDR/ARD Degeto / Oliver Feist

Nach ihrer gescheiterten Beziehung mit dem polnischen Kommissar Gadocha bandelt Karin Lossow nun mit dem Neuzugang auf Usedom an, dem Schreiner Jörn Scherer. Auch zu seiner Tochter Lara baut sie eine gute Verbindung auf. Wie ist das Verhältnis der Figuren und wie war es, mit Jörg Schüttauf zu drehen?

Ich glaube, da legt Karin nochmal los, weil sie ja keine 35 mehr ist. Also sagt sie sich, das ist ein Typ, der gefällt ihr, und auch zu seiner Tochter hat sie einen guten Draht, die hat ja ein schlimmes Schicksal zu tragen mit den Narben im Gesicht infolge eines Hundebisses. An einer Stelle fragt sie Lara, ob sie mal einen Freund hatte, und sie antwortet, dass das letzte Mal ein Junge Interesse gezeigt hat, als sie noch „normal“ aussah. Da verbinden sich also wieder Schicksale, wenn Karin Lossow diese Tochter sieht. Und ich glaube, so ein Typ wie Jörn Scherer gefällt ihr. Der ist ganz anders als Gadocha, auch äußerlich, und trotzdem lässt sie sich irgendwie auf ihn ein. Ich hatte zunächst gedacht, dass es vielleicht so aussähe, als würde sie einfach den Nächstbesten nehmen – Gadocha ist ja noch nicht so lange weg –, aber das geht bei Karin gar nicht. Es hat sich in der kurzen Zeit einfach so ergeben, dass auf einmal so ein Typ wieder vor ihr steht. Sie mag Menschen mit Ecken und Kanten, so wie sie selbst auch Ecken und Kanten hat. Natürlich gibt es genau deswegen Reibereien – und am Ende soll es wieder nicht sein. Mit Jörg Schüttauf war es eine wunderbare Zusammenarbeit, ganz wunderbar. Wir planen das nächste Projekt, wenn es denn mal jemand schreibt (lacht). Unser Produzent Tim Gehrke hatte mich vorher gefragt, ob ich ihn kenne, aber tatsächlich waren wir uns bis dahin immer nur flüchtig begegnet, auf Veranstaltungen, und hatten noch nie zusammengearbeitet. Manchmal passiert es dann doch, dass so ein Schauspieler eher ein arroganter Typ ist – aber ganz im Gegenteil. Der Dreh mit Jörg Schüttauf war sehr, sehr erfüllend!

Karin Lossow muss am Ende von „Geburt der Drachenfrau“ eine grausame Szene beobachten und hat anschließend einen schweren Unfall. Wie geht sie mit dieser Situation um und wie war es, drei zusammenhängende Filme zu drehen?

Das ist für sie DER Schock überhaupt! Und ein persönliches Trauma, weil sie – unbewusst zwar – ein zweites Mal tötet. Sie schließt den Transporter, ohne zu wissen, dass die Kühlung noch läuft und die beiden Männer darin erfrieren. Zwar sind es die Bösen, die zuvor jemanden umgebracht haben, und Karin handelt ohne böse Absicht. Doch ist es ein traumatisches Erlebnis für sie. Wieder ein Auf und Ab, diese Lebenslinien sind bei ihr wahnsinnig. Aber genau das reizt mich bei dieser Figur. Karin geht mit der Situation verhältnismäßig gefasst um. Aber man fragt sich schon, warum plätschert es nicht mal? Es gibt ja viele Menschen, bei denen das Leben im Gleichgewicht ist, aber bei ihr geht es nicht – und bei mir auch nicht. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht immer, in welchem Film ich gerade bin (lacht). Das wird einem dann natürlich erklärt, aber es ist eine große Herausforderung. Natürlich muss alles, was in der Scheune spielt, auch in der Scheune gedreht werden – ob es am Ende in Teil 1, 2 oder 3 vorkommt. Man musste sich besonders darauf konzentrieren, die richtige Stimmung zu erzeugen, denn die Filme sind ja trotzdem sehr unterschiedlich. Dann noch im Winter, dann noch in der Nacht – manchmal war ich ganz durcheinander. Aber da hat unser Regisseur Grzegorz Muskala auch immer geholfen, die Szenen wieder in den richtigen Kontext einzuordnen.

Karin lässt sich ihr neues Domizil auf dem Grundstück der Witts bauen und lebt vorübergehend in der Ferienwohnung der Scherers. Wie ist ihre Beziehung aktuell zu Familie und Freunden, insbesondere zu Merle, Ben, Rainer, Katharina und Ellen, die ja mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat?

Karin wird von Lara Scherer an einer Stelle gefragt, ob sie sich nicht vorstellen könnte, ganz wegzuziehen. Das würde auch eigentlich zu ihr passen, doch ist ihr sehr bewusst, dass sie niemanden mehr so richtig hat. Zu Lara sagt sie über Rainer, Katharina, Merle und Ben „Das da drüben ist so etwas wie Familie“. Da dachte ich erst, dass es nicht so ganz passt, und jetzt geht es mir selbst ähnlich. Dass ich denke, vielleicht geh ich zurück nach Mecklenburg-Vorpommern, irgendwann wenn ich alt bin, denn dort lebt meine Familie, meine Neffen und Nichten. Also das ist auch eine Parallele zur Figur, die ich so gar nicht vermutet hätte. Diese Entscheidung von Karin ist, finde ich, verständlich. Den Mann hat sie durch ihre eigene Tat verloren, die Tochter ebenfalls auf grausame Weise, der Schwiegersohn ist weg, die Enkelin studiert in Berlin. Und sie erkennt nun, dass sie mit Rainer Witt noch einen kleinen Teil Familie hat, und deswegen will sie nicht weg. Ich denke ja auch immer noch, dass Karin ihren Neffen ja irgendwann auch mal nach ihrer Schwester fragen müsste, das ist ja seine Mutter. Irgendwie muss es da ja mal Kontakt gegeben haben, den es jetzt nicht mehr gibt. Ich denke immer, das muss den Zuschauern ja auch so gehen, aber ich glaube, die schauen ganz anders, als ich denke. Vielleicht wird der Erzählstrang ja irgendwann mal aufgemacht, wer weiß? Ich fände es schön. Es gibt auf jeden Fall noch viel potenziellen Stoff!

Nun feiert die Reihe ein Jubiläum – mit mehr als 20 Filmen. Wie hat sich die Figur Karin Lossow über all die Jahre entwickelt, wie blicken Sie auf die fast zehn Jahre Dreh zurück und was schätzen Sie an der Arbeit?

Es sind eigentlich immer dieselben Dinge, auf die ich mich freue, wenn ich auf Usedom bin. Es ist vor allem das Meer, und es ist ein bisschen Heimat. Es fühlt sich jedes Mal ein wenig an wie Nachhausekommen, wenn ich nach Usedom zu den Dreharbeiten fahre. Es ist der Winter, der mir zu schaffen macht, denn ich bin durch und durch ein Sommermensch. Wenn andere bei 32 Grad in die Keller gehen, fange ich an zu leben. Winter ist nicht die beste Zeit für mich. Umgekehrt ist es die ideale Zeit zum Arbeiten, weil ich so den Sommer für mich habe. Zudem bin ich sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich über die Jahre sammeln konnte. Es gibt ja einen berühmten Satz von Brecht „Hin zur Figur“, der sich in erster Linie auf Theaterschauspieler bezieht. Gemeint ist, dass der Schauspieler die Figur, die er oder sie spielt, zunächst auseinandernimmt und dann wieder zusammensetzt. Eine Technik, die viele Schauspieler nutzen. Das mache ich im Film nicht, und schon gar nicht bei Karin Lossow. Denn Karin Lossow ist auch sehr viel Katrin Sass. Nicht ganz natürlich: Manchmal bewundere ich Karin und denke, an ihrer Stelle würde ich jetzt ausrasten, so ruhig bleiben könnte ich privat nicht. Aber ansonsten hat sie schon viel von mir, und das schätze ich sehr. Ich weiß auch gar nicht, ob man sich in dem Alter noch groß entwickeln kann. Karin Lossow ist ja schon so eingeführt worden, dass sie aus diesem Knast kommt und alle Welt sich denkt‚ die muss doch jetzt abhauen. Sie kommt nach Hause, und ihr Haus wird als das „Mörderhus“ bezeichnet. In einem Mörderhaus will man ja nicht unbedingt leben. Ich an ihrer Stelle wäre an einen anderen Ort gegangen. Ich konnte es mir schwer vorstellen, dass man diese Anfeindungen, die Sticheleien und das alles aushält und dahin zurückgeht, in das Haus, wo sie ihren Mann erschossen hat. Das finde ich schon beeindruckend. In den folgenden Jahren hat sie ihren Platz auf Usedom auch wieder gefunden. Trotzdem ist es immer ein Auf und Ab bei ihr, so wie es bei mir im Leben auch immer war. Auch deshalb fühle ich mich Karin Lossow sehr verbunden.

Was wünschen Sie sich für Karin Lossows Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die Reihe noch weitergeht, solange wir alle noch Freude haben – und die Zuschauer uns sehen wollen. Und dann wünsche ich mir für Karin Lossow, dass bei ihr kein Alltag los geht. So nach dem Motto „Jetzt hat sie `nen schönen Kerl, jetzt ziehen die zusammen, jetzt stehen die Hausschuhe vor einer gemeinsamen Tür“. Ich finde, das würde nicht zu ihr passen, auch wenn eine solche Entwicklung vielleicht schön wäre. Aber ich glaube, es wäre langweilig, und das ist Karin Lossow nicht.

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